Kuss des Apollo
Tanja Evers sogar nach München, weil die ewige Fliegerei, wie sie es nannte, ihr auf die Nerven ging. Auch ihre Söhne studierten inzwischen in München.
So kam es zur endgültigen Trennung von Thomas und Tilla, denn Tilla zog mit nach München. Es war eine freundschaftliche Trennung, sie blieben in Verbindung, telefonierten, gratulierten sich zum Geburtstag. Alles in allem war das Verhältnis zwischen ihnen nie so angenehm gewesen. Geraldine vermisste die Mutter nicht, denn viel hatte sie ihr nie bedeutet.
Die Zeit danach
»Du warst also in Italien«, sagte Thomas, als seine Tochter wieder in Berlin gelandet war.
»Ja. In Venedig, in Florenz und in Verona. Ich habe dir nicht geschrieben, entschuldige. Aber die Reise sollte geheim bleiben. Und woher weißt du es?«
»Sebastian Klose war hier, und er war sehr empört darüber.«
Geraldine lachte. »Der hat es nötig.«
Thomas zögerte, dann sagte er: »Ich dachte, du hättest dich mit ihm versöhnt.«
»Wieso versöhnt? Wir hatten keinen Streit. Er hat mich verlassen, hat mir ab und zu eine kleine Rolle verschafft, und sonst ist das erledigt.«
»Erledigt, so. Und jetzt liebst du Walter Burckhardt.«
»Das hat er dir also auch erzählt. Ich war mit Burckhardt auf dieser Reise zusammen, und es war sehr nett, und jetzt ist auch das erledigt.«
Thomas betrachtete seine Tochter mit Staunen. Sie war verändert. Nicht so glamourös wie auf den Fotos in Zeitungen und Illustrierten, sie sah fast aus wie früher. Oder besser gesagt wie ganz früher, ehe das Desaster mit Sebastian sie so verstört hatte.
Nach Ende der Dreharbeiten war viel in den Zeitungen geschrieben worden, Bilder waren erschienen, Berichte über den Film, von Frobenius und der Bavaria entsprechend platziert. Interviews hatte es gegeben, sogar mit Susanne Conradi, die aus Amerika zurückgekehrt, in aller Gelassenheit erklärt hatte, dass die Rolle der Alkmene ihr nicht gelegen habe und dass sie sehr froh darüber gewesen sei, eine so erfolgreiche Ablösung in ihrer Freundin Geraldine gefunden zu haben.
Burckhardt hatte die Zeitung mit dem Interview in Florenz gekauft, und er wäre bald vor Lachen in den Arno gefallen, als er Geraldine den Absatz vorlas.
»Es ist ein Wunder geschehen auf diesem Delos«, sagte er. »Da hat Klose wohl wirklich den richtigen Riecher gehabt.«
Geraldine lächelte und schwieg. Sie würde die leichtsinnige Bemerkung von jenem Abend auf Naxos nicht wiederholen. Sie selbst hatte auch noch ein Interview geben müssen. Sie würde wieder nach Griechenland fahren, hatte sie gesagt, es gebe da noch vieles, was sie gern sehen wolle, der Aufenthalt sei kurz gewesen, und während der Dreharbeiten blieb keine Gelegenheit, das Land und seine Geschichte näher kennen zu lernen.
Sie drückte sich so geschickt aus, wie sie es jetzt immer tat, gewandt und flüssig, als sei sie seit eh und je gewohnt, mit der Presse umzugehen.
Walter Burckhardt war bei diesem Interview nicht dabei, die Reporter erfuhren nur, dass er zur Kur nach Abano gereist sei. Anfang Dezember habe er Proben in den Münchener Kammerspielen.
Natürlich hätte es geschehen können, dass dem Liebespaar in Venedig oder Florenz ein Reporter über den Weg gelaufen wäre, aber es war November, die Saison war längst zu Ende. Und dann hatte ausgerechnet Sebastian ihrem Vater erzählt, dass sie mit Burckhardt in Italien gewesen war.
»Er hat größten Wert darauf gelegt, dass niemand davon erfährt«, sagte Geraldine. »Und dann erzählt er es dir. Wenn du es nun weitererzählt hättest?«
»Er hat mich darum gebeten, es nicht zu tun. Wie gesagt, er war empört, er war wütend; ich würde sagen, er war enorm eifersüchtig.«
Geraldine lachte kurz. »Das fällt ihm reichlich spät ein. Wer behauptet denn, dass ich in den vergangenen acht Jahren keinen Liebhaber hatte? Er jedenfalls hat mehrmals die Frauen an seiner Seite gewechselt.«
»Du und Walter Burckardt. Ist es nun …« Thomas scheute vor dem Wort Liebe zurück.
»Wir haben zusammen sehr gut gearbeitet. Er ist ein großartiger Schauspieler.«
»Das weiß ich. Und nun also …« Er wusste auch diesmal nicht, wie er es nennen sollte.
»Wir hatten wunderbare Liebesszenen in diesem Film. Wir sind uns sehr nahe gekommen, mehr als der Film verlangte. Es war eigentlich ganz selbstverständlich, das nun auch privat zu erleben. Er hat sich in mich verliebt, und ich habe seine Gefühle erwidert.«
»Eben hast du gesagt, es sei erledigt.«
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