Kuss des Apollo
wiederholte Geraldine. Sie ging langsam auf den Hund zu. »Darf ich ihn anfassen?«
»Das entscheidet er«, sagte Loske. »Er lässt sich nicht von jedem streicheln, nur von einem Menschen, der ihm sympathisch ist.«
Geraldine machte noch zwei Schritte, streckte ihre Hand aus. Der Hund blickte unbewegt zu ihr auf, und als sie ihm noch näher kam, schnupperte seine Nase an ihrer Hand.
»Zum Glück habe ich kein Parfum genommen«, sagte Geraldine, leise nun, mit viel tieferer Stimme. »Das mag er vielleicht nicht.«
Sanft strich ihre Hand über den Hundekopf, verweilte kurz, strich dann über die Ohren, und dann kauerte Geraldine sich nieder.
»Oskar«, flüsterte sie. »Darf ich dich Ossi nennen?«
Der Hund kam jetzt ganz dicht zu ihr, schloss die Augen unter der zärtlichen Hand.
»Offenbar hat er nichts dagegen«, sagte Loske. »Ossi klingt gut.«
Die vier anderen standen noch an der Tür und sahen dieser Szene zu.
»Es war der größte Wunsch meiner Kindheit«, sagte Geraldine, immer noch mit tiefer Stimme. »Mein größter Traum. Einen Hund zu haben.«
»Davon hast du nie gesprochen«, sagte Thomas.
»Wollen Sie sagen, Sie haben das nicht gewusst?«, fragte Loske.
»Nein. Ich höre es heute zum ersten Mal. Ich weiß nur, dass ich mir als Kind auch einen Hund gewünscht habe.«
»Und?«
»Wir haben immer etwas beengt gewohnt. Nicht so wie hier mit einem Garten.« Er wies mit der Hand auf die offene Gartentür. »Dann war Krieg, und danach lebten wir in nur einem Zimmer, meine Mutter und ich. Und dann fing ja meine Zeit beim Theater an. Mein Vater war gefallen. Und ich trieb mich nur im Theater, das heißt ziemlich bald hinter der Bühne, herum.«
»Das müssen Sie uns mal erzählen«, sagte Frobenius. »Jetzt könnten wir uns ja mal setzen und nach unseren Martinis schauen.«
»Ist alles bereit«, rief Evi, die nun auch hereinkam. »Darf ich sie mixen?«
»Bitte sehr«, sagte Frobenius.»Du hast das inzwischen gut gelernt. Geschüttelt und nicht gerührt, wie wir ja seit James Bond wissen.«
»Für die Damen darf es ein Glas Champagner sein«, sagte Jana. Sie trat hinter Geraldine.
»Sie könnten doch jetzt einen Hund haben«, sagte sie.
»Wir leben mitten in der Stadt«, erwiderte Geraldine und richtete sich langsam auf. »Und sehr viel Platz haben wir immer noch nicht.«
Evi kredenzte den Champagner und die Martinis.
Sie saßen auf den lose gruppierten Stühlen, dazwischen standen kleine Tische für die Gläser.
Geraldine flüsterte fragend: »Ossi?«
Und der Hund kam und setzte sich neben sie, ihre Hand strich wieder leicht über seinen Kopf.
»Hm«, machte Loske. »Mein Vorschlag wäre folgender: Wenn Sie den nächsten Film abgedreht haben, Geraldine, und sie machen es genauso gut wie das letzte Mal, bekommen Sie von mir einen Hund. Nicht diesen, auf Ossi kann ich nicht verzichten. Aber einen genauso schönen großen Hund. Und dann natürlich ein richtiges Haus mit Garten. Das können Sie sich dann spielend leisten.«
Geraldine legte den Kopf in den Nacken und lachte.
»Klingt ja wunderbar. Und wann wird das sein?«
»Demnächst«, sagte Frobenius. »Ich habe einen Vertrag von der Bavaria hier liegen. Den brauchen Sie nur zu unterzeichnen.«
Jana betrachtete das Mädchen fasziniert. Wie schön sie war! Wie jung!
Sie sah wirklich aus wie ein junges Mädchen. Als sie das erste Mal in diesem Haus war, schien sie eine missmutige Frau zu sein, nicht jung, nicht schön. Wo hatte sie nur ihre Augen gehabt? Ja, dass sie schöne Augen hatte, das dachte sie damals schon. Aber sonst …
»Und was ist das für ein Stoff?«, fragte Geraldine.
»Ich werde Ihnen das nachher genau erzählen, nach dem Essen. Eine ganz moderne Geschichte, von hier und heute. Unser Berlin nach der Wiedervereinigung. Dieses Wort! Ich kann es immer wieder aussprechen, es hat für mich einen Zauber wie am ersten Tag.«
»Nicht für jeden Menschen, wie man weiß«, sagte Thomas.
»Es braucht Zeit, sicher. Aber wir schaffen das. Und darum drehen wir diesen Film. Ein Mädchen, das aus der DDR kommt und sich hier zunächst nicht zurechtfindet. Wie gesagt, ich erzähle es später genau. Da ist eine alte Liebe drüben und eine neue Liebe hier. Es ist eine gute Story.«
»Du hast gesagt, du erzählst es später«, warnte Jana. »Ich schau jetzt mal nach dem Spargel, der dürfte bald gar sein. Es ist noch keiner aus Beelitz, er kommt aus Frankreich. Aber er ist sehr gut.«
»Und was gibt es dazu?«, fragte Will Loske
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