Kuss des Apollo
lüstern.
»Kalbsfilet«, mischte sich Evi ein. »Kartoffeln. Sauce hollandaise oder Butter, wie gewünscht. Und vorher ein Süppchen. Übrigens, ich komme auch aus der DDR und könnte einiges dazu erzählen.«
»Kannst du nicht«, widersprach Frobenius. »Du bist viel früher gekommen, du bist ein Flüchtling, keine Wiedervereinigte. Und schwer hast du es hier bei Gott nicht.«
»Seit ich in diesem Haus bin, nicht. Vorher schon.«
»Für Sie habe ich auch eine erstklassige Rolle, Herr Bantzer«, sagte Frobenius.
»Für mich?«, fragte Thomas.
»Ich mache eine Serie. Die Hauptrolle, ein Anwalt, habe ich Ihnen zugedacht.«
»Das gibt es ja schon öfter.«
»Nicht unbedingt. Es handelt sich nämlich um einen Scheidungsanwalt. Jede Folge hat eine eigene Geschichte. Es gibt Ehepaare, die sich friedlich scheiden lassen. Bei anderen gibt es Streit und Hader. Und es gibt vor allem Kinder, die unter der Scheidung leiden werden. Unser Anwalt behandelt jeden Fall sehr eindringlich. Manchmal versucht er es mit Versöhnung. Aber wenn er es für aussichtslos hält, macht er es kurz und entschieden. Der Witz dabei ist, dass er selbst recht glücklich verheiratet ist. Glücklich heißt in diesem Fall dauerhaft. Er lebt mit seiner Frau schon lange zusammen, aber es gibt wie in jeder Ehe, Ärger, Streit, Auseinandersetzungen. Schwierigkeiten eben. Was ganz normal ist. Seine Ehe, seine Familie sind in jeder Episode auch ein Thema. Wenn er abends aus der Kanzlei nach Hause kommt, dann erwartet ihn der ganz normale Familienalltag. Er streitet und versöhnt sich mit seiner Frau, und das Leben der Kinder soll auch nicht zu kurz kommen. Wo ist eigentlich Alexander?«
»Klingt ja toll«, sagte Loske.
»Wird auch toll. Wir planen zunächst zehn Folgen. Wenn es ankommt, wird mehr daraus. Stoff gibt es in Hülle und Fülle.«
»Und ich soll …«, fragte Thomas verwirrt.
»Sehr richtig. Sie werden den Anwalt spielen. Sie sind der richtige Typ dafür.«
Geraldine und ihr Vater blickten sich an.
Sie dachten beide dasselbe. Ihr Erfolg öffnete auch ihm die Tür zu neuem Erfolg.
Geraldines Hand legte sich fester um den Hundekopf.
»Da kommt er ja«, sagte Jana.
Unter der Tür, die in den Garten führte, war die große schlanke Gestalt eines Mannes aufgetaucht.
Geraldine erstarrte. Das Haar des Mannes war dunkel, seine Augen konnte sie nicht sehen.
»Guten Abend«, sagte eine klare Stimme. »Entschuldigt, dass ich so spät komme. Es ist so schön draußen.«
»Mein Sohn Alexander«, sagte Jana. »Dies ist Thomas Bantzer, unser neuer Serienstar. Und das ist Geraldine. Das Video hast du ja gesehen. Und ich geh jetzt mal in die Küche.«
»Martini oder Champagner, was trinkst du, Alexander?«, fragte Will Loske.
»Weder noch. Am liebsten, falls es das gibt, ein Glas Bier.«
»Steht da drüben«, rief Evi. »Aber ich muss jetzt auch in die Küche. Die Kartoffeln werden sonst zu weich.«
Alexander Frobenius kam langsam auf Geraldine zu. Sie rührte sich nicht, er sah sie an, wartete, dass sie ihm die Hand reichte, aber sie hielt immer noch den Hundekopf fest umklammert.
Seine Augen waren dunkel.
Alexander
Seine Augen waren grau, sein Haar war dunkelblond.
»Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen, Frau Bansa. Wie Sie gehört haben, hat mein Vater mir den Film gezeigt. Sie sind ganz wunderbar. Und nicht nur im Film, wie ich sehe.«
Nun lächelte Geraldine, ließ den Hundekopf los und reichte ihm die Hand.
Warum nur war sie so erschrocken, diesen jungen Mann zu sehen? Wie er da in der Tür stand, den hellen Himmel im Rücken, woran hatte sie das erinnert?
Thomas war aufgestanden, er und Alexander Frobenius gaben sich die Hand, sprachen ein paar Worte, Loske mischte sich ein.
Er sagte: »Es ist für mich eine höchst erfreuliche Überraschung, dich endlich einmal wiederzusehen, Alexander. Ich glaube, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du zehn Jahre alt.«
»Das stimmt nicht ganz, Will. Ich war zwölf und hatte gerade eine schwere Grippe, die sich zu einer Lungenentzündung auswuchs. Vermutlich sah ich deshalb etwas vermickert aus.«
Er ging zu dem kleinen Tisch, auf dem das Bier stand, und goss sich ein Glas ein.
»Stimmt genau«, sagte Loske. »Deine Mutter war sehr besorgt um dich. Es war im Februar, und es war noch sehr kalt. Ständig wickelte sie dir einen Schal um den Hals, was dich ärgerte, du hast ihn jedes Mal beiseite geworfen.«
»Du hast ein gutes Gedächtnis, Will. Ich weiß noch, was du mir
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