Kuss des Apollo
Frauenzimmer, war vergessen.
Es war ein warmer Vorfrühlingstag, Geraldine trug wieder ein venezianisches Kleid, die Haare waren kürzer als im Film, sie war kaum geschminkt, aber sie sah jung aus und bildhübsch. Nicht wie damals, nein, wie im Film.
Wie war es möglich, dass Erfolg einen Menschen so verwandeln konnte?
Ihre Begrüßung klang etwas überschwänglich, was durchaus nicht Janas Art war, aber da blieb immer noch ein Rest von Unsicherheit.
Frobenius begrüßte sie ganz normal, sagte: »Wird Zeit, dass Sie uns wieder einmal besuchen, Geraldine. Evi konnte es kaum erwarten.«
»Ja«, rief Evi stürmisch. »Ich freu mich ganz schrecklich, Sie wiederzusehen, Frau Bansa. Ich meine, leibhaftig wiederzusehen. Den Film hab ich dreimal angeschaut. Er ist einfach herrlich.«
Thomas wurde mit wohlgesetzten Worten empfangen, die Blumen, die er mitgebracht hatte, waren schon bei Evi gelandet.
»Wir haben noch einen Gast heute Abend«, sagte Jana, »der sich sehr darauf freut, Sie wiederzusehen, Frau Bansa.«
»Ach ja«, machte Geraldine. Nun würde Sebastian sie also gleich in die Arme schließen und auf beide Wangen küssen, wie er es immer tat.
Doch es war nicht Sebastian, es war Will Loske, der jetzt aus dem Gartenzimmer kam.
»Na, da ist sie ja endlich, unsere schöne Geraldine. Falls Sie sich noch an mich erinnern.«
Geraldine lachte jetzt ganz unbeschwert.
»Und ob! Ich erinnere mich sehr gut an jenen Abend. Und ich weiß noch genau, was Sie gesagt haben. Zum Beispiel zur Ente. Und zu Amphitryon.«
Will küsste ihre Hand, die sie ihm reichte.
»Wunderbar!«, sagte Will. »Sie ist in Wirklichkeit noch viel hübscher als im Film. Und der ist ja ganz originell geworden. Diese Mischung aus modern und alter Sage, das war gekonnt. Offen gestanden, das hätte ich Herrn Klose nicht zugetraut.«
»Nun kommt erst mal rein«, sagte Jana. »Wir werden ein bisschen über Amphitryon reden, aber hauptsächlich über Zukunftspläne.
Herbert hat einen ganzen Sack davon. Sie werden staunen, Frau Bansa.«
»Könnten Sie nicht einfach Geraldine zu mir sagen? Oder meinetwegen auch Geri.«
»Nein, Geraldine gefällt mir besser. Dann müssen Sie aber auch Jana zu mir sagen.«
Frobenius grinste amüsiert. Fing ja gut an. Ein wenig Angst hatte er vor diesem Abend gehabt, nach all den Absagen, die er sich von diesem neuen Star eingehandelt hatte. Und nach dem, was Bronski über sie erzählt hatte.
»Es gibt übrigens keine Ente heute, es gibt den ersten Spargel«, fügte Jana hinzu.
Inzwischen hatten sich auch Thomas und Loske begrüßt; die drei Männer waren etwa gleichaltrig, ein mittelmäßiger Schauspieler, ein mittelmäßig erfolgreicher Produzent, ein höchst erfolgreicher Finanzier auf internationalem Parkett. Zweifellos sah Thomas am besten aus, schlank, mit guter Haltung und den attraktiv ergrauten Haaren. Und so viel Schauspieler war er immerhin, dass er sich gut in Szene setzen konnte.
»Ich habe Sie vor einiger Zeit im Fernsehen erlebt«, sagte Will.
»War so ein englisch aufgemachter Krimi. Da waren Sie ein Anwalt, den man hereinlegen wollte. Was aber nicht gelang. Ihr Ausdruck war großartig.«
»Womit wir schon fast beim Thema wären. Nun kommt schon. Die wichtigste Frage im Moment lautet: Champagner oder Martini?«, unterbrach Herbert.
»Martini«, wunderte Thomas sich, »das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Ich dachte, der sei ganz aus der Mode.«
»Nicht bei uns«, sagte Loske. »Wir haben ihn nach dem Krieg kennen gelernt und sind dabei geblieben. Die Amerikaner sind zwar keine großen Feinschmecker, aber mit diesem Drink sind sie bei uns gelandet. Muss ich Ihnen nachher mal erzählen, wie wir uns kennen gelernt haben, Herbert und ich. Bei meiner Tante Kitty in Bad Reichenhall. Da komme ich gerade her, ich besuche sie jedes Jahr mindestens einmal.«
Während sie redeten, waren sie ins Gartenzimmer gegangen. Die Tür zum Garten stand offen, man sah auf dieser geschützten Südseite die ersten Narzissen, Krokusse und einen leicht grünen Schimmer auf den Büschen.
Aber das bemerkte Geraldine nicht. Sie tat einen Schritt in das Zimmer hinein, blieb stehen und machte: »Oh!«
Mitten im Zimmer, etwas verunsichert in der fremden Umgebung, saß ein Hund. Ein schöner großer Gordonsetter sah ihnen entgegen.
»Wer ist denn das?«, rief Geraldine entzückt.
»Das ist mein Freund Oskar«, sagte Will. Und blickte von dem Hund auf ihr Gesicht, in ihre leuchtenden Augen.
Oskar
»Oskar!«,
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