Kuss des Apollo
aufzutreten.«
»Du bist nicht im Bilde. Theater ist heutzutage meist eine Katastrophe. Das wird dir Herr Bantzer bestätigen. Wir haben keinen Reinhardt mehr, keinen Gründgens und keinen Hilpert. Was heute geboten wird, ist entweder überdreht oder langweilig.«
»Das kann sich ja wieder ändern. Aber bleiben wir bei deinem Film. Ihr müsst doch verstehen, du und die Bavaria, man kann nach der Alkmene nicht irgendeine belanglose Liebesgeschichte mit einer hübschen Frau machen, die in ihrer ersten großen Rolle immerhin eine historische Figur dargestellt hat. Die heilige Johanna wäre wirklich keine schlechte Wahl.«
»Über die hat es schon mehrere Filme gegeben.«
»Nun ja, Amphitryon war auch nicht eure Entdeckung.«
»Ich verstehe schon, was Alexander meint«, sagte Loske. »Der Film muss in einer bedeutenden Zeit spielen, und das muss nicht unbedingt der hundertjährige Krieg sein. Es gibt genügend Kriege und Revolutionen auf dieser Erde, gibt es und gab es, sodass man schon eine Epoche finden kann, in der eine Frau eine große und auch gefährliche Rolle spielt.«
»Es ist aber unser Ziel, Geraldine diesmal in einer modernen und nicht allzu dramatischen Rolle herauszubringen«, sagte Frobenius.
»Warum?«, fragte Alexander.
»Um ihr vielseitiges Talent zu beweisen. Darum.«
Jana stand auf und seufzte leise.
»Wie wär’s denn jetzt mit Kaffee? Einen kleinen Espresso, Will?«
»Gern. Und ich sehe schon, wir werden uns die Köpfe zerbrechen, wo wir den richtigen Stoff für Geraldines zweiten Film herbekommen.«
»Das brauchen wir nicht, das macht mein Sohn schon, wie du hörst. Aber mir kommt es vor allem darauf an, dass wir möglichst bald zu einer Entscheidung kommen. Wir dürfen die Pause nicht zu lang werden lassen. Verstehst du wenigstens das, Alexander?«
»Das verstehe ich. Die heilige Johanna war ja nur als Beispiel gedacht. Aber wenn du in Deutschland bleiben willst, Vater, dann halte ich die Zeit vor der Wiedervereinigung für weitaus geeigneter. Wie war das mit dir, Evi? Du bist doch ein echter Flüchtling.«
Evi, die gerade den Kaffee servierte, nickte stumm. Sie hatte noch nie erzählt, auf welche Weise sie die Freiheit gekauft und bezahlt hatte.
Alle blickten sie erwartungsvoll an, doch sie schwieg.
»Was darf es denn sein?«, fragte sie dann. »Cognac? Marille? Oder Vieille Prune?«
Jana und Frobenius blickten sich an.
Die Geschichte ihrer Flucht aus der DDR hütete Evi wie ein Geheimnis. So heiter und gesprächig sie Evi erlebten, davon hatte sie nie erzählt.
»Sicher hast du doch auch eine Menge erlebt, Evi …«, beharrte Alexander, doch Jana unterbrach ihn.
»Ich schlage vor, wir beenden dieses Thema für heute. Herbert wird Geraldine mit dem Autor und dem Regisseur bekannt machen, sie wird die Stoffe prüfen, und auf jeden Fall sollte noch in diesem Sommer mit dem Dreh begonnen werden. In aller Interesse. Gib mir einen Cognac, Evi. Bitte.«
Frobenius verstand.
»Wir haben in den nächsten zwei, drei Wochen viel zu tun, Geraldine. Und Sie ebenso, Herr Bantzer. Sie bekommen die Drehbücher für die ersten fünf Folgen, die sind geschrieben. Wir möchten mit dieser Serie im Oktober starten.«
Es wurde spät an diesem Abend, in dieser Nacht.
Es war zwölf, als sie aufbrachen. Will, der mit dem Wagen da war, bot an, Geraldine und Thomas nach Hause zu fahren. Aber Alexander entschied: »Das übernehme ich.«
Jana machte den Mund auf, um ihm zu erklären, es sei Unsinn, mitten in der Nacht von Dahlem bis in die Stadt zu fahren.
Aber sie sprach es nicht aus. Erst vor einigen Tagen, als sie ihrem Sohn beratend zur Seite stehen wollte, hatte sie einen freundlichen Verweis einstecken müssen.
»Jana, du bist das Beste, was ich auf Erden habe. Weißt du sowieso. Aber bedenke, dass ich jetzt zwei Jahre in England gelebt und studiert habe und ganz ohne deine Ratschläge ausgekommen bin.«
Daraufhin hatte sie einen Kuss bekommen. Aber sie hatte es sich gemerkt.
Genauso wie sie an diesem Abend bemerkt hatte, dass Alexander an den beiden, an Vater und Tochter, Gefallen gefunden hatte. Und wenn er sie fahren wollte, dann tat er es. So gut kannte sie ihren mittlerweile erwachsenen Sohn.
Alexander hielt Thomas die Beifahrertür auf, dann die hintere Tür für Geraldine. Einen eigenen Wagen hatte er hier nicht, er musste Vaters Wagen aus der Garage holen. Frobenius verstand und schwieg.
Sie unterhielten sich auch während der Fahrt noch ganz gut.
»Ihr Bruder ist
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