Kuss des Apollo
lernen, sich anzupassen. Wie will er sonst als Schauspieler Erfolg haben. Wir wissen schließlich, wie schwierig das sein kann. Und Sie wissen es auch, Herr Bantzer.«
»Gewiss«, erwiderte Thomas zurückhaltend. »Bist du nicht bald fertig?«, rief er ins Nebenzimmer.
»Gleich«, kam die Antwort.
»Wenn Jörg auf der Insel ist, fährt er entweder in List mit den Fischern hinaus, oder er spielt Tennis, oder er liegt einfach am Strand herum.«
»Und der Wagen Ihrer Mutter steht ihm auch zur Verfügung.«
»Wenn er den Führerschein hat. Hat er aber noch nicht. Jana lässt den Wagen dort, weil sie es zu umständlich findet, jedes Mal den Transfer über den Hindenburgdamm zu machen.«
»Aha«, machte Thomas. Er konnte sich unter diesem Transfer nichts vorstellen.
»Sie kennen Sylt nicht?« Die Frage war gleichzeitig an Geraldine gerichtet, die das Zimmer betreten hatte.
»Nein«, sagte Thomas. »Aber ich habe viel davon gehört. Viele Leute sind ja sehr begeistert von der Insel. Soll ja ziemlich teuer sein.«
Alexander lachte. »Man sagt so. Wir wohnen bei meiner Großmama in Keitum, in einem schönen alten Friesenhaus. Kostet uns keinen Penny. Alle paar Jahre mal, wenn das Reetdach neu gedeckt werden muss, übernehmen wir die Kosten. Und meinen neuen Schreibtisch, bisschen größer als der alte, habe ich auch selbst bezahlt. Sie kennen die Insel auch nicht, Geraldine?«
»Woher denn? Ich bin nicht viel in der Welt herumgekommen.«
»Immerhin kennen Sie jetzt Griechenland, jedenfalls ein paar der Inseln. Und den Flughafen von Athen. Richtig?«
Geraldine nickte.
»Und ein Stück von Italien.«
Darauf blieb es still.
Geraldine war nahe daran, das Zimmer wieder zu verlassen und den ungezogenen Lümmel nie mehr anzusehen.
»Hiermit lade ich Sie beide nach Sylt ein«, fuhr Alexander ungerührt fort.
»Wenn weiter keiner dort ist. Von der Familie, meine ich. Das Haus ist nicht sehr groß, aber für uns drei reicht es. Meine Großmama hat einen herrlichen Garten mit prachtvollen Rosen. Und sie kocht sehr gut. Und, Geraldine, nicht zu vergessen, sie hat einen bildschönen Hund. Mindestens so schön wie Oskar und genauso groß.«
Nun musste Geraldine doch lachen.
»Klingt sehr verlockend«, sagte sie.
Er griff nach ihrer Hand, die sie ihm nicht gegeben hatte, schwenkte sie leicht hin und her. »Heute, würde ich vorschlagen, fahren wir mal hinaus nach Nicolassee, spazieren durch den Wald runter zur Havel. Zum Baden ist es leider noch etwas kühl. Kennen Sie die Gegend?«
»Nein.«
»Ich früher auch nicht. Aber sobald die Mauer weg war, haben wir einen Ausflug unternommen. Mein Vater, mein Bruder und ich.«
»Ihre Mutter nicht?«, fragte Thomas, nun doch amüsiert über seine unbeschwerte Art zu erzählen.
»Nee, die meinte, wenn sie baden will, braucht sie die Havel nicht, das kann sie im Meer viel besser. Sie ersehen daraus, dass diese zugereisten Leute gar nicht so richtig unter dem Mauerbau gelitten haben.«
Nun lachten sie alle drei. So weit war man schon, dass man Scherze über die Mauer machen konnte.
»Wir finden sicher ein nettes Restaurant, wo wir zu Mittag essen können. Herr Bantzer, Sie brauchen heute nicht zu kochen, jedenfalls nicht für Ihre Tochter.«
Geraldine hätte am liebsten gesagt: Ich bleibe hier und Vater kocht für mich.
Die impulsive Art des jungen Mannes irritierte sie. Offenbar wurde dies ein längeres Unternehmen. Seit Sebastian war sie nie mehr mit einem jungen Mann zusammen gewesen. Und dieser hier war auch noch einige Jahre jünger als sie.
Im Augenblick empfand sie heftige Sehnsucht nach Burckhardt.
Seine ruhige, gelassene Art, mit ihr umzugehen, wie er sie ansah, wie er ihre Hand ergriff, erwärmte ihr Herz.
Hier war es ihr unangenehm. Denn Alexander griff nun wieder nach ihrer Hand, fest und bestimmt.
»Also, dann wollen wir mal. Adios, padre. Ich bringe sie heil wieder zurück.«
Thomas lächelte hilflos. Er verstand Geraldines verzweifelten Blick recht gut.
Als Alexander in der vergangenen Nacht nach Hause kam, waren Jana und sein Vater noch auf. Der Abend war kurzweilig gewesen, aber auch anstrengend, besonders der Umgang mit der veränderten Geraldine, von der zweifellos eine gewisse Abwehr ausging. Das Gespräch mit Thomas, dem man immerhin ein großzügiges Angebot gemacht hatte und der dennoch seine Zurückhaltung nicht verbergen konnte, hatte auch einen bitteren Nachgeschmack.
»Es ist seltsam mit den beiden. Man hat das Gefühl, am liebsten wäre es
Weitere Kostenlose Bücher