Kuss des Apollo
Laufenden, was es hierzulande für Talente gibt. Mein Vater wird mir Filme und Fernsehsendungen empfehlen, und da werde ich nach einem geeigneten Partner für dich suchen.«
»Viel Spaß«, sagte sie spöttisch. »Ich kann dir schon jetzt sagen, dass es unter den jüngeren Schauspielern keinen gibt, der mir gefällt. Und zum Verlieben ist erst recht keiner dabei.«
»Wie soll ich das verstehen?« Er hielt noch immer ihre Arme fest im Griff, sein Gesicht war nahe über dem ihren.
»Irgendwie sehen die doch alle gleich aus. Sie haben keinen Pep und kein Charisma. Mir gefallen die Männer in den alten amerikanischen Filmen. Alte deutsche Filme werden ja nicht gesendet. Mein Vater nennt manchmal Namen von früher. Männer, die er bewundert hat, meist allerdings auf der Bühne. Paul Hartmann, Matthias Wiemann, Theodor Loos, René Deltgen – er weiß noch eine Menge Namen. Ich kenne sie nicht. Aber die alten amerikanischen Filme habe ich gesehen, da gibt es durchaus Männer, die ich klasse finde.«
»Zum Beispiel?«
»Gregory Peck, Cary Grant, Humphrey Bogart …«
»Hör bloß auf! Für den schwärmt Jana seit eh und je. Diesen Casablanca-Film habe ich mir mindestens dreimal ansehen müssen. Ich habe sie schon mal gefragt, wie melancholisch ein Mensch sein muss, um von diesem Film so begeistert zu sein.«
Geraldine lachte und versuchte, ihre Arme zu befreien. Doch es gelang ihr nicht.
»Das waren eben noch richtige Männer.«
»Die gibt es schon lange nicht mehr. Und es gibt wirklich keinen jüngeren Schauspieler, der dir gefällt?«
Geraldine bog den Kopf zurück, weg von seinem Gesicht.
»Doch. Walter Burckhardt.«
»Der ist doch viel zu alt. Und er wird in deinem nächsten Film bestimmt nicht dein Partner sein.«
»Und wer bestimmt das?«
»Ich, zum Beispiel.«
»Aha. Und was sagt dein Vater dazu?«
»Ich habe mit ihm darüber nicht gesprochen. Noch nicht.«
»Dein Vater wird sich wundern, wenn du anfängst, dich in seine Arbeit einzumischen.«
»Er wird sich daran gewöhnen müssen. Jetzt bin ich da, und jetzt kenne ich dich. Und jetzt mische ich mich ein. Gefalle ich dir denn gar nicht?«
»Du gefällst mir sehr gut. Aber du bist eben kein Schauspieler.«
»Das hatten wir schon. Und noch etwas anderes habe ich mir überlegt. Du willst doch Theater spielen. Oder?«
Geraldine nickte.
»Also dann beschäftigen wir uns mal mit Shakespeare. Ich könnte mir einige Rollen vorstellen, die für dich geeignet wären.«
»Sicher. Fragt sich nur, was Regisseure heutzutage aus deinem Shakespeare machen. Mein Vater kann dir erzählen, wie die Stücke heute verunstaltet werden.«
»Hast du denn schon so eine Aufführung gesehen?«
»Nein. Ich war nicht im Theater, seit ich in Berlin bin.«
»Das ist doch kaum zu glauben.«
»Wir leben heute mit dem Fernsehen. Und da sind diese doofen Heinis zu besichtigen, von denen du mir einen aussuchen willst.«
»Du bist ganz schön kess, mein Liebling. Kennst du denn die Stücke von Shakespeare?«
»Ich kenne sie alle. Damals, in meinem ersten Engagement, haben wir
Wie es euch gefällt
gespielt. Ich war nicht mal für die Celia gut genug.«
»Und was hast du gespielt?«
»Einen Pagen.«
»Wait and see. Lass mich mal machen.«
»Die Traumrolle meines Vaters war natürlich der Hamlet. Hat er nie gespielt.«
»Also gut. Er bekommt jetzt eine schöne Serie, und ich denke, er wird das gut machen. Ich kenne die ersten beiden Folgen, gar nicht schlecht. Und was dich betrifft …«
»Würdest du mich jetzt bitte entfesseln, Alexander? Heute werden wir keinen Film mehr drehen. Aber du wirst dich darum kümmern, was, wo und mit wem ich es mache. Das wird deinen Vater, den Produzenten Dr. Frobenius, sicher mächtig freuen.«
»Ich würde dich gern noch einmal küssen«, sagte er.
»Du hast mich bis jetzt auch nicht gefragt, ob ich das will.«
»Jetzt frage ich dich.«
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Doch es erlosch mit einem Schlag. Sie blickte über seine Schulter hinweg auf den schmalen Weg, der von den Havelseen herauf durch den Wald führte. Da kam ein Mann auf sie zu, langsam, mit ruhigen Schritten, er kam direkt auf sie zu, kam näher.
Sein Haar war dunkel, seine Augen waren dunkel, er war sehr schön. Geraldine starrte ihm entgeistert entgegen, sie war geradezu erstarrt, ihr Mund öffnete sich wie zu einem Schrei.
Alexander ließ sie los, drehte sich um, sah den Mann kommen, langsam, ruhig, und als er an ihnen vorbeiging, sah er sie an. Seine
Weitere Kostenlose Bücher