Kuss des Apollo
den richtig jungen Matjes gab es nur für kurze Zeit. Am 30. Mai verspeiste Königin Beatrix in Holland den ersten, und dann bekamen ihn auch ganz gewöhnliche Menschen. Wenn sie denn verstanden, um welche besondere Leckerei es sich handelte.
Hier auf der Insel wussten sie es. Und es gab eine besondere Variante, man aß dazu grüne Bohnen und Speckstippe.
Und was ein Juvi war, hatte Geraldine inzwischen auch gelernt. Ein Jubiläumsaquavit, den trank man zum Bier.
In der Küchenkate trafen sie Dirk und Thomas. Und Silke mit ihrem Freund, den sie stolz ihren Verlobten nannte.
Jörg umarmte sie sofort.
»Silke, du treulose Tomate, warum betrügst du mich? Du weißt doch, dass ich dich liebe.«
Ein älterer Herr saß auch am Tisch, und Geraldine bemerkte sofort den aufmerksamen Blick der hellen Augen, die sie ansahen.
»Das ist mein Vater, Frau Bansa«, sagte Silke. »Kapitän Jansen. Er wollte Sie gern kennen lernen.«
Silke war im Gegensatz zu den anderen beim Sie geblieben.
Kapitän Jansen stand auf, und als Geraldine ihm die Hand entgegenstreckte, neigte er den Kopf darüber.
»Ich habe den Amphitryon-Film gesehen. Und ich finde ihn großartig.«
»Oh, danke«, sagte Geraldine.
Silke lachte. »Mein Vater ist zwar immer in Richtung Grönland gefahren. Aber komischerweise war Griechenland sein Traumziel.«
»Nicht das Griechenland von heute, das kenne ich. Das Griechenland der Antike war es, das mich faszinierte. Es war das Lieblingsthema meines Geschichtslehrers. Er kannte den Homer so ziemlich auswendig.«
Und dann begann Kapitän Jansen ausführlich die Reise des Odysseus zu schildern.
»Mir scheint, Papa, du bist die falsche Route gefahren. Du hättest lieber die Reise von Odysseus im Programm gehabt.«
»Ich habe sie gemacht. Später mal. Zu meinem Vergnügen.«
»Mit was?«, fragte Jörg. »Mit einem Segelboot?«
»Das allerdings nicht. Mit einem gemieteten Motorboot.«
»Ein etwas größeres Boot, nehme ich an.«
»Genau.«
»Und Sie sind unbehelligt bei Scylla und Charibdis durchgekommen?«, fragte Dirk.
»Leider ja. Es ist halt eine andere Zeit.«
Geraldine hörte aufmerksam zu. Sie wusste inzwischen gut Bescheid, sie hatte gelesen, was in den zehn Jahren Troja und in den zehn Jahren danach geschehen war.
Und nun wiederholte sie, was an jenem Abend im Hause Frobenius gefragt worden war: »Und wenn er bei den Affen durchgefahren wäre?«
Kapitän Jansen wusste genau, wovon sie sprach.
»Dann hätte vermutlich er Amerika entdeckt und nicht Columbus.«
Das war eine Vorstellung, die allen Spaß machte. Sie saßen um einen großen Tisch herum, aßen den Matjes, tranken Bier und diverse Juvis und spekulierten darüber, wie es gewesen sein könnte, wenn Odysseus in Amerika gelandet wäre.
»Auf jeden Fall wäre es friedlicher zugegangen«, sagte Dirk. »Die alten Griechen mit ihren Göttern hätten die Inkas und Azteken auf jeden Fall besser behandelt als die katholischen Spanier und Portugiesen.«
»Sicher hätten sie sich auch mit Manitou vertragen«, sagte Andreas und kicherte.
»Es reicht«, sagte Alexander, »jetzt seid ihr bei Karl May gelandet.«
»Ihr seid richtig albern«, sagte Silke. »Und die arme Penelope? Wie lange hätte die denn noch warten müssen?«
»Zehn Jahre Krieg, zehn Jahre auf See. Na, ich denke, sie hätte sich dann wirklich einen anderen gesucht«, kam es von Jörg.
So alberten sie herum, Geraldine schwieg dazu, der Kapitän saß ihr gegenüber, seine hellen Augen betrachteten sie aufmerksam. So hatte sie seit langer Zeit niemand mehr angesehen.
Auch Alexander beteiligte sich kaum an dem Gerede, er sah Geraldine an, sah ihren Blickwechsel mit dem Kapitän. Er kannte Silkes Vater. Und er wusste, dass er den Frauen schon immer gefallen hatte.
Als sie sich verabschiedeten, führte Kapitän Jansen Geraldines Hand an seine Lippen.
»Sie sind eine schöne Frau, Alkmene«, sagte er.
Jörg kicherte den ganzen Heimweg lang.
»So ein alter Schwerenöter. Allerhand von diesem Opa.«
»Er gefällt mir sehr gut«, sagte Geraldine leise.
»Du willst damit doch nicht sagen, dass er dir besser gefällt als ich?«, fragte Jörg beleidigt.
»Das ist ein großer Unterschied.«
»Was heißt denn das? Was für ein Unterschied. Er ist ein alter Mann.«
»Das ist er nicht. Er ist sehr lebendig. Er ist ein interessanter Mann.«
»Ein bitte was?«
»Allein die Art, wie er mich ansieht«, sagte sie verträumt vor sich hin. Ihre Finger glitten dabei über Nelsons
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