Kuss des Feuers
Mann.«
Miranda lief ein Schauer über den Rücken. »Wie schrecklich. Aber es ist schon seltsam, dass sie ihn nicht einfach umgebracht hat.«
»Sie hätte ihn auch aufschlitzen oder seine Seele nehmen können. Doch irgendetwas an Feuer beunruhigte Victoria – sie scheute immer davor zurück. Deshalb war es in ihren Augen wohl die schlimmste Bestrafung, die es gab. Im Grunde muss ich ihr zustimmen. Rossberry litt entsetzlich.«
»Warum hasst er Archer?«
»Rossberry glaubt, Archer hätte Victoria erzählt, dass er abtrünnig geworden sei. Aber Archer hätte nie das Vertrauen eines anderen Menschen missbraucht. Sir Percival war derjenige, der ihn verriet.« Leland nahm einen Schluck von seinem Whisky und genoss das Brennen. »Man kann mit Rossberry nicht vernünftig reden. Er ist nicht … Es ist irgendetwas Ungewöhnliches an ihm. Das haftet allen Mitgliedern seiner Familie an, wenn man es genau betrachtet. Sie täten gut daran, sich von ihm fernzuhalten – und von McKinnon auch. Über die Jahre sind in deren Nähe immer wieder Menschen auf geheimnisvolle Weise verschwunden.«
»McKinnon kennt Archer gut, nicht wahr?«, fragte sie.
»Sie haben zusammen Medizin studiert und waren gute Freunde. Am Anfang wandte Archer sich hilfesuchend an ihn. Aber Rossberry nahm schon bald seinen Sohn gegen ihn ein.«
Ihre klaren grünen Augen sahen ihn an. »Dann ist McKinnon …«
»… so alt wie wir anderen. Und hat doch nie einen Tropfen von dem Elixier zu sich genommen. Ich kann nicht erklären, warum er nicht altert. Was Rossberry angeht, der muss jetzt an die hundertdreißig sein.« Leland hob eine Hand, als sie sich fragend vorbeugte. »Ich weiß nicht, welches Geheimnis sie hüten. Wir haben erst später herausgefunden, dass Rossberry und sein Sohn nie richtige Menschen waren. Und ich glaube, dass Rossberry in Wahrheit gar nicht auf Unsterblichkeit aus war, sondern nach einem Heilmittel für das suchte, was in seiner Familie umgeht.«
Sie verzog den Mund, nickte aber zustimmend. »Und die anderen? War es nur Eifersucht, weshalb sie Archer nicht mochten? Oder lag es an dem Vorfall mit Marvel?«
Er zuckte leicht zusammen. »Darüber wissen Sie Bescheid?«
»Nur dass Archer und Marvel ihretwegen aneinandergerieten.«
Leland schnaubte. »Archer versuchte, Marvel zu retten. Victoria war zurückgekommen und verführte Marvel. Sie drängte ihn zu der Verwandlung. Archer war erbost. Er wusste aus eigener Erfahrung, was mit dem jungen Mann passieren würde.« Leland nahm noch einen Schluck aus seinem Glas. »Marvel war nur eine weitere Figur im Schachspiel. Ich glaube, Victoria dachte, wenn es ihr gelänge, Archers Leidenschaft zu wecken, indem sie ihn eifersüchtig machte, würde er die Größe seiner Liebe zu ihr erkennen und zu ihr zurückkehren. Stattdessen bekam Archer einen Vorgeschmack darauf, zu welchem Monster er sich entwickelte, als er Marvel fast totschlug. Das war auch der Moment, in dem er auf die lächerliche Verbannung einging, damit den Mitgliedern und anderen nichts passierte.«
»Immer muss er alle beschützen«, murmelte sie und runzelte die Stirn. »Ich verstehe aber immer noch nicht, warum Victoria so lange gewartet hat, ehe sie zurückgekehrt ist. Warum ist sie Archer nicht sofort gefolgt?«
»Die Frau ist weit über dreihundert Jahre alt. Was sind schon sechzig Jahre für jemanden, der unsterblich ist? Bei einem Normalsterblichen entspräche das wohl ein paar Monaten.« Er zuckte die Schultern und genoss das Gefühl dieser derben Geste. »Ich glaube, sie dachte tatsächlich, er würde zu ihr zurückkehren und es handle sich nur um eine vorübergehende Laune. Doch zu unser aller Leidwesen stellte sich heraus, dass er sich von ihr nicht gängeln ließ.«
»Indem er mich heiratete.«
»Nein, meine Liebe«, erklärte er sanft. »Indem er sich in Sie verliebte.«
Sie holte zitternd Luft. »Die Hölle kennt keinen Zorn …«
»Genau.«
Mit einer fließenden Bewegung erhob Miranda sich von ihrem Sessel. »Also musste er sich verwandeln, um sie aufzuhalten.«
»Sie können noch nicht einmal ansatzweise begreifen, welche Macht sie besitzt.«
»Glauben Sie mir, Lord Leland, das kann ich.« Mit schwingenden Hüften ging sie auf und ab. »Wenn Archer auch nur ein Zehntel ihrer Kraft besitzt, kann ich es mir vorstellen.« Ihr bitteres Lachen brach abrupt ab, und sie drehte sich zu ihm um. »Sie sagten, er würde seine Seele verlieren …« Sie erbleichte beim Gedanken an die unausweichlichen
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