Kuss des Feuers
Verbeugung an. »Im Moment habe ich keine weiteren Fragen.«
Die beiden entfernten sich.
»Sie sollten eines wissen«, erklärte Winston. »Ein so gewaltsames Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben … egal, wer es begangen hat.«
»Das hoffe ich, Inspector.«
»Ich würde Sie ja bitten, Miranda von mir zu grüßen. Aber ich möchte sie nicht unnötig beunruhigen, indem ich sie dadurch von meinem Besuch in Kenntnis setze.«
Zum ersten Mal während der Unterhaltung klang Archer ehrlich überrascht. »Ich fragte mich schon, ob Sie wohl darum bitten würden, sie zu sehen. Und sei es auch nur, um sie zu warnen. Dass Sie es nicht getan haben, ist sehr gutgläubig von Ihnen in Ihrer Position als ihr Bruder, Inspector. Haben Sie denn keine Angst, das Lamm in der Höhle des Löwen zu lassen?«
Winstons Antwort darauf konnte sie nicht mehr hören, als die beiden den Raum verließen. Wie erstarrt blieb sie, wo sie war. Entsetzen erfüllte Miranda bei der Vorstellung, dass Archer in die Bibliothek zurückkommen und sie hinter dem Wandschirm finden könnte. Sie hörte, wie Winston das Haus verließ und Archer Gilroy auftrug, sein Pferd zu satteln. Mirandas völlig verkrampfte Glieder lockerten sich ein wenig, doch erst als Archer das Haus endgültig verlassen hatte, konnte sie wieder richtig durchatmen.
In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander, als sie sich schließlich nach oben in ihr Zimmer schlich. Hatte sie einen Mörder geheiratet? Sie konnte es nicht glauben. Miranda war in jener Nacht, als er seine persönliche Sicherheit für sie aufs Spiel gesetzt hatte, praktisch eine Fremde für Archer gewesen. Sie hatte damals eine natürliche Güte und Freundlichkeit in ihm gespürt. Und sie spürte sie auch heute. Aber nur der Instinkt genügte nicht, um zu überleben. Fakten waren gefragt.
8
Durch den abnehmenden Mond und die dichten Wolken, die jeden Moment ihre Schleusen öffnen konnten, war es herrlich dunkel. Ein Stadthaus ragte still vor ihm auf. Archer ging ganz langsam, um nicht bemerkt zu werden, und kletterte die glatte Kalksteinmauer wie eine Spinne hoch. Finger und Zehenspitzen gruben sich in den Mörtel, als wäre es weiche Butter.
Während er auf dem Fenstersims balancierte, griff er nach dem
Chatellerault
, der in seiner Tasche steckte. Das schwarze Emailheft lag angenehm vertraut in seiner Hand. Ein Lächeln zuckte um seine Lippen.
Ihr
Messer. Es war kein Tag vergangen, seitdem sie es ihm gegeben hatte, an dem er es nicht in die Hand genommen und damit gespielt hätte, während er an sie dachte.
Er schob das Messer zwischen Fenster und Verschalung. Ein kleiner Ruck, und der Rahmen bewegte sich ein kleines Stück, sodass er die Finger darunterschieben und ihn nach oben drücken konnte.
Nichts rührte sich, als Archer ins Haus einstieg. Ein großes Bett beherrschte den Raum. Die Vorhänge um das Bett waren für die Nacht geschlossen. Sehr gemütlich. Langsam zog Archer den Vorhang zurück. Das Messer hielt er immer noch in der Hand. Der Mann, der im Bett lag, war durchs Alter geschrumpft, Muskeln und Gewicht seines einst kräftigen Körpers waren zu einer sehnigen Mischung aus steifen Gliedern und schlaffer Haut verwelkt, deutlich zu erkennen an Hals und Wangen. Trotzdem strahlte Maurus Lea, der Earl von Leland, immer noch Würde und Kraft aus. Archer konnte seinen Anblick kaum ertragen.
Er beugte sich nach vorn und ragte ganz dicht über Lelands schlafender Gestalt auf. Die lange Höckernase des Mannes pfiff beim Schlafen und ließ den weißen Schnurrbart wehen, der über die Winkel seines offen stehenden Mundes hing. Der Geruch von Kampfer und staubigem Samt stieg auf. Archers Nasenflügel zuckten, doch er merkte, dass er grinste.
»Hör mal, Lilly, wo zum Teufel sind meine Stiefel?«
Bei Archers lauten Worten setzte Leland sich abrupt auf und griff nach seinem Morgenmantel, während er Entschuldigungen murmelte. Archer steckte das Messer weg und trat einen Schritt zurück. Hinter seiner Maske lächelte er, als Leland zu sich kam. Der stieß einen unmissverständlichen Fluch aus und fuhr mit den Händen suchend an der Bettkante entlang, wo Streichhölzer deponiert lagen.
»Wenn du erlaubst«, sagte Archer, griff gewandt nach den Hölzern und zündete die Lampe an.
»Der Teufel soll dich holen, Archer«, stieß Leland hervor, als er vom Licht geblendet wurde. Er blinzelte und schwang die Beine über die Bettkante, um sich aufzusetzen. »Du hast mir vielleicht einen Schreck
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