Kuss des Feuers
wollen.«
Miranda lächelte mit an die Knie gedrücktem Gesicht. Was für ein eigensinniger, charmanter Mann. Sie ließ sich doch tatsächlich von einem mutmaßlichen Mörder betören. Sie gehörte wirklich nach Bedlam.
»Fragen neigen dazu, andere Fragen nach sich zu ziehen.« Winston bewegte den Arm, um etwas aus seiner Tasche zu ziehen. Dadurch entfernte er sich aus ihrem direkten Blickfeld.
»Wissen Sie, was das ist, Mylord?«
Alles drängte sie dazu, durch die Ritze im Wandschirm zu spähen, aber Archer würde sie dann bestimmt bemerken. Ihre Arme legten sich fester um ihre Knie, damit sie sich nicht von der Stelle rührte.
»Das ist eine Münze«, erklärte Archer schlicht.
So leicht bekam man ihn nicht herum. Ein Lächeln schwang in Winstons Stimme mit, als er erwiderte: »Erkennen Sie sie wieder?«
Miranda zwang sich, ganz gleichmäßig weiterzuatmen. Eine Münze? Ihr Herz setzte einen Schlag aus und fing dann an zu rasen.
»Ich nehme an, Sie gehen davon aus, dass ich sie wiedererkenne.«
»Sie lag auf Sir Percivals leerer Augenhöhle.«
»Vielleicht der Hinweis auf irgendein Ritual.« Archer bewegte sich nicht vom Stuhl weg. Nur sein Arm war zu sehen und hätte genauso gut aus Stein sein können, so ruhig hielt er ihn. »Die Bezahlung für Charon, damit er einen über den Styx setzt.«
»Vielleicht.« Winstons Hand kam wieder in ihr Blickfeld, aber nicht so, dass Miranda die Münze hätte sehen können, sondern nur etwas golden aufblitzen sah. »Sir Percivals Kammerdiener sagt, die Münze hätte seinem Herrn gehört. Sie wäre seit ungefähr 1814 in seinem Besitz gewesen. Er hätte sie als seinen Wegweiser bezeichnet. Allerdings kennt der Kammerdiener den Grund dafür nicht.«
»Eine merkwürdige Art, eine Münze zu beschreiben«, meinte Archer träge.
»Da stimme ich Ihnen zu. Aber es ist eine seltsame Münze, nicht wahr? Sie ist kein gesetzliches Zahlungsmittel – weder hier noch in sonst irgendeinem Land.« Winstons blondes Haar schimmerte hell auf, als er den Kopf senkte, um die Münze genauer zu betrachten. Aus ihrem Winkel konnte Miranda nur erkennen, wie sich sein Stirnrunzeln verstärkten.
»Und die Inschrift.
West Moon Club
. Ich muss gestehen, dass ich noch nie von einem Club dieses Namens gehört habe.«
Die Worte trafen Miranda wie ein Schlag.
West Moon Club
. Das Herz drohte ihr aus der Brust zu springen. Obwohl sie das Gefühl hatte, der Raum würde sich um sie drehen, zwang sie sich, ganz still und regungslos sitzen zu bleiben. Jetzt brauchte sie die Münze nicht mehr zu sehen. Sie wusste genau, wie sie aussah.
Ach, Archer. Warum hatte sie es nicht schon viel früher erkannt? Sie konnte nur noch stockend atmen. Wie viele Nächte hatte sie an ihren dunklen Retter gedacht? Den Mann mit der rauen Stimme, der sein Gesicht nicht gezeigt hatte. War es von Anfang an seine Absicht gewesen, sie zu heiraten? Und wenn, warum hatte er dann nicht schon damals um sie angehalten?
Archers tiefe Stimme, die so anders klang, als sie sie das erste Mal gehört hatte, erfüllte den Raum. »Hatte der Kammerdiener irgendeine Vermutung darüber, was es mit der Münze auf sich hat?«
»Nein, hatte er nicht.«
»Trotzdem gehen Sie davon aus, dass ich besser über Sir Percivals Besitztümer Bescheid weiß als sein Kammerdiener?«
Winstons und Archers Worte verschwammen zu einem unverständlichen Gemurmel, während ihr das Blut immer lauter durch die Adern strömte. Hatte er immer noch ihr Messer? Wurde es genauso sorgsam verwahrt wie seine Münze? Sie rief sich das Bild des Zahlungsmittels vor Augen, auf das ein Vollmond geprägt war und das in seinem Schmuckkasten lag. Sie hatte sich nie überwinden können, sie zu versetzen. Sie war ihr Glücksbringer gewesen.
»Wollen Sie die Aussage eines Mannes bestätigen, der Sie als Hauptverdächtigen bei diesem Verbrechen genannt hat, Mylord?«
»Der Kammerdiener hat Fakten geliefert. Er hörte Sir Percival meinen Namen sagen. Ein Küchenmädchen hat einen maskierten Mann über den Stallhof weglaufen sehen. Das sind die Fakten. Sie sind derjenige, der daraus eine Anklage gegen mich konstruiert, Inspector Lane.«
»Ich bitte untertänigst um Verzeihung, Mylord. Ich bin zu weit gegangen, wo ich doch nur eine Auskunft bekommen wollte.«
»Gibt es noch weitere Fragen, die Sie an mich richten möchten?«
Sie konnte die Erheiterung hören, die in Archers Stimme mitschwang.
Winston konnte das auch. Er rang sich ein gequältes Lächeln ab und deutete eine
Weitere Kostenlose Bücher