Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
Nachdem ich von oben bis unten sauber war, schlang ich mir ein Handtuch um den Kopf und schlüpfte in einen Morgenmantel. Ich ließ heißes Wasser in den Whirlpool ein, goss etwas Schaumbad dazu, das in großzügiger Menge zur Verfügung stand, und schaltete die Massagedüsen ein. Der Duft nach reifen Birnen und gerade eben gepflückten Beeren hing in der Luft. Der Geruch erinnerte mich an Oregon.
Das Gefühl, als ich in die Wanne glitt, war das allerbeste auf der ganzen Welt. Nun ja, das zweitbeste . Ich ärgerte mich, dass sich die Erinnerung an den Kuss in mein Bewusstsein schob, und ich verdrängte sie rasch – oder versuchte es zumindest. Je mehr ich mich in der Wanne entspannte, desto mehr kreisten meine Gedanken darum. Es war wie bei einem Ohrwurm, und egal was ich auch tat, er ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Der Kuss lief wie in Endlosschleife vor meinem geistigen Auge ab. Trotz aller Bemühungen, ihn auszuradieren, musste ich bei der Erinnerung lächeln. Äh! Was soll das? Wütend schüttelte ich mich aus dem Tagtraum und kletterte widerwillig aus der Wanne. Nachdem ich mich abgetrocknet und Shorts und ein sauberes T-Shirt angezogen hatte, setzte ich mich hin und bürstete mir das Haar aus. Es kostete mich viel Zeit, alle verfilzten Strähnen zu entwirren. Das Kämmen war beruhigend. Es erinnerte mich an meine Mom. Ich lehnte mich auf meinem Doppelbett zurück und genoss das Gefühl, mit meiner Haarbürste durch sauberes, feuchtes Haar zu gleiten.
Später wagte ich mich ins Wohnzimmer und traf Mr. Kadam beim Zeitunglesen an.
»Hallo, Miss Kelsey. Fühlen Sie sich erfrischt?«
»Ich fühle mich so viel besser! Das können Sie sich gar nicht vorstellen.«
»Freut mich. Dort drüben unter der Haube steht ein spätes Abendessen. Ich habe mir erlaubt, für Sie zu bestellen.«
Ich hob den Deckel und fand Truthahn, Maisbrot, Cranberry-Soße, Erbsen und Kartoffelbrei.
»Wow! Wie haben Sie das hergezaubert?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, Sie möchten vielleicht zur Abwechslung mal etwas Amerikanisches, und ein amerikanischeres Gericht gibt es wohl kaum. Zum Nachtisch gibt es übrigens Apfelkuchen.«
Ich nahm meinen Teller und das Glas mit eiskaltem Zitronenwasser, von dem er wusste, wie gut es mir schmeckte, und setzte mich zum Essen mit untergeschlagenen Beinen neben ihn.
»Haben Sie schon gegessen?«
»Ja, vor etwa einer Stunde. Machen Sie sich keine Gedanken um mich. Genießen Sie Ihr Abendessen.«
Ich langte zu und war schon pappsatt, noch bevor ich den Apfelkuchen angerührt hatte. Ich tunkte ein Stück von dem Maisbrot in die Soße und sagte: »Mr. Kadam? Ich muss Ihnen etwas sagen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich es Ihnen nicht früher erzählt habe, aber ich denke, Sie sollten es wissen.« Ich holte tief Luft und fuhr fort: »Ren war in Kishkindha die ganze Zeit über ein Mensch.«
Er legte die Zeitung weg. »Interessant. Aber warum konnten Sie mir das nicht früher erzählen?«
Schuldbewusst zog ich die Schultern hoch: »Keine Ahnung. In den letzten paar Tagen waren die Dinge zwischen uns nicht gerade … einfach.«
Seine Augen funkelten fröhlich, als er verständnisvoll lachte. »Jetzt ergibt alles einen Sinn. Ich hatte mich schon gefragt, warum Sie sich in seiner Gegenwart auf einmal anders verhalten. Ren kann … schwierig sein.«
»Sie meinen wohl starrköpfig. Und fordernd. Und …«, ich blickte aus dem Fenster zu den nächtlichen Lichtern der Stadt und murmelte: »… vieles mehr.«
Er beugte sich vor und nahm eine meiner Hände in seine. »Ich verstehe. Grämen Sie sich nicht, Miss Kelsey. Ich bin überrascht, dass Sie so viel in solch kurzer Zeit vollbracht haben. Es ist schwierig genug, eine gefährliche Reise anzutreten, noch dazu mit jemandem, den man gerade erst kennengelernt hat und von dem man nicht weiß, ob man ihm vertrauen kann. Selbst die besten Gefährten geraten manchmal in Streit, wenn sie unter derart großer Anspannung stehen wie Sie beide. Ich bin sicher, es ist nur ein vorübergehender Dämpfer Ihrer Freundschaft.«
Unsere Freundschaft war nicht wirklich das Thema. Dennoch trösteten mich Mr. Kadams Worte. Vielleicht würden wir nun, wenn die Anspannung von uns abfiel, über alles reden und die Sache mit gesundem Menschenverstand regeln können. Vielleicht sollte ich die Vernünf tige sein und nachgeben. Immerhin begann Ren erst wieder, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Wenn ich ihm nur erklären könnte, wie die Menschenwelt
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