Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
Sie mit der Geschichte des Prinzen Dhiren vertraut?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Der Name Ihres Tigers, Dhiren, bedeutet in meiner Sprache der Starke .« Er neigte den Kopf und sah mich nachdenklich an. »Ein sehr berühmter Prinz trug einst denselben Namen und seine Geschichte ist äußerst spannend.«
Ich grinste. »Sie weichen meiner Frage aus, und das erschreckend geschickt. Aber ich liebe gute Geschichten. Wollen Sie sie mir erzählen?«
Seine Augen fixierten einen Punkt in der Ferne und er lächelte. »Gerne.« Seine Stimme veränderte sich, verlor ihre abgehackte Betonung. Mr. Kadams Worte hatten nun einen weichen, musikalischen Klang. »Vor langer Zeit gab es einen mächtigen König in Indien, der zwei Söhne hatte. Einen nannte er Dhiren. Die beiden Brüder genossen die beste Erziehung und militärische Ausbildung.
Ihre Mutter lehrte sie, das Land und alle Untertanen zu lieben. Oftmals ließ sie die Jungen mit weniger privilegierten Kindern spielen, da sie sich erhoffte, die beiden würden auf diese Weise erfahren, was ihr Volk brauchte, würden Demut lernen und dankbar sein für die Annehmlichkeiten, die ihnen geboten wurden. Ihr Vater, der König, brachte ihnen bei, wie man das Königreich regierte. Insbesondere Dhiren wuchs zu einem tapferen und furchtlosen Heerführer sowie zu einem umsichtigen Herrscher heran.
Sein Bruder war ebenfalls sehr tapfer, stark und schlau. Er liebte Dhiren, doch bisweilen verspürte er den kalten Stich der Eifersucht in seinem Herzen, denn obwohl er in all seinem Tun erfolgreich war, wusste er, dass Dhiren auserwählt war, der nächste König zu werden. Es war nur natürlich, dass er diese Gefühle hegte.
Dhiren besaß das Talent, Menschen mit seinem Scharfsinn, seiner Intelligenz und seiner Persönlichkeit zu beeindrucken. Eine seltene Mischung aus Charme und Bescheidenheit, die der Prinz verkörperte, machte ihn zu einem außergewöhnlichen Staatsmann. Er war ein Mensch voller Widersprüche, zugleich ein bedeutender Krieger und ein gefeierter Dichter. Die Menschen liebten die königliche Familie und sahen vielen friedvollen und glücklichen Jahren unter Dhirens Herrschaft entgegen.«
Ich nickte, fasziniert von der Geschichte, und fragte: »Was ist mit den Brüdern geschehen? Haben sie um den Thron gekämpft?«
»König Rajaram, Dhirens Vater, arrangierte eine Heirat zwischen Dhiren und der Tochter des Herrschers eines benachbarten Königreiches. Die beiden Königreiche lebten seit vielen Jahrhunderten in Frieden, doch in den vergangenen Jahren waren immer häufiger kleine Scharmützel an der Grenzlinie ausgebrochen. Dhiren war über die Heirat sehr erfreut, und das nicht nur, weil das Mädchen namens Yesubai sehr schön war, sondern auch, weil er weise genug war, um zu wissen, dass die Verbindung seinem Land Frieden bringen würde. Sie hatten sich in aller Form verlobt, doch während Dhiren in einem entlegenen Teil des Königreiches die Truppen inspizierte, verbrachte sein Bruder viel Zeit mit Yesubai, und schon bald verliebten sie sich ineinander.«
Der Tiger knurrte laut und schlug mehrmals mit dem Schwanz gegen den Holzboden seines Käfigs.
Ich blickte besorgt zu ihm hin, doch ihm schien nichts zu fehlen. »Schsch, Ren«, ermahnte ich ihn. »Lass ihn die Geschichte weitererzählen.«
Er legte den Kopf auf die Pfoten und beobachtete uns.
Mr. Kadam fuhr fort: »Er verriet Dhiren, um die Frau für sich zu gewinnen, die er liebte. Er setzte einen bösartigen Mann auf Dhiren an, der ihn auf seiner Heimreise gefangen nahm. Als politischer Gefangener wurde Dhiren hinter einem Kamel hergezogen und durch die Feindesstadt getrieben, wo die Menschen ihn mit Steinen, Stöcken, Mist und Kameldung bewarfen. Er wurde gefoltert, ihm wurden die Augen aus den Höhlen gedrückt, der Kopf wurde ihm geschoren, und schließlich wurde sein Körper in Stücke gerissen und in den Fluss geworfen.«
Ich keuchte auf. »Wie grauenvoll!«
Von der Geschichte gefesselt, platzte ich regelrecht vor Fragen, doch ich hielt mich zurück, wollte das Ende hören. Mr. Kadam richtete den Blick auf mein Gesicht und fuhr ernst fort: »Als sein Volk erfuhr, was geschehen war, legte sich große Trauer über das Land. Einige behaupten, Dhirens Untertanen seien zum Fluss geeilt und haben seinen in Stücke gerissenen Leib herausgezogen, um ihm ein würdiges Begräbnis zuteilwerden zu lassen. Andere sagen, seine Leiche sei nie gefunden worden.
Als der König und seine Frau vom Tod ihres
Weitere Kostenlose Bücher