Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
»Nun, du hättest es mir trotzdem sagen müssen.«
Er spielte mit dem Schürzenband. »Im Freien zu schlafen, ist gar nicht so schlimm. Man kann zu den Sternen hochschauen und eine kühle Brise fährt dir nach einem heißen Tag durchs Fell. Das Gras riecht süß«, er sah mir eindringlich in die Augen, »wie dein Haar.«
Ich errötete und murrte: »Nun, ich bin froh, dass es zumindest einem von uns gefallen hat.«
Er grinste und sagte: »Mir auf jeden Fall.«
Auf einmal blitzte ein Bild vor meinem geistigen Auge auf: Er schmiegt sich im Wald in seiner menschlichen Gestalt an mich und legt den Kopf in meinen Schoß, während ich ihm übers Haar streichle. Ich beschloss, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.
»Hm, Ren, du lenkst vom Thema ab. Ich schätze die Art und Weise gar nicht, wie du mich hierhergelockt hast. Mr. Kadam hätte mir im Zirkus reinen Wein einschenken sollen.«
Er schüttelte den Kopf. »Wir fürchteten, du würdest ihm die Geschichte nicht glauben. Er benutzte die Reise zum Tigerreservat als Vorwand, um dich nach Indien zu bringen. Sobald du hier wärst, wollte ich menschliche Gestalt annehmen und alles aufklären.«
»Vielleicht hast du recht«, gestand ich ein. »Hättest du dich dort in einen Mann verwandelt, wäre ich wohl nicht mitgekommen.«
»Warum bist du gekommen?«
»Ich wollte mehr Zeit mit … dir … verbringen. Du weißt schon, dem Tiger. Ich hätte ihn vermisst. Ich meine, dich.« Ich errötete.
Er grinste schief. »Ich hätte dich ebenfalls vermisst.«
Ich rollte den Saum meines T-Shirts zwischen den Fingern.
Er missdeutete mein Schweigen und sagte: »Kelsey, es tut mir wirklich leid, dass wir dich getäuscht haben. Hätte es irgendeine Alternative gegeben …«
Ich blickte auf. Die Art, wie er den Kopf hielt, erinnerte mich an den Tiger. Die Enttäuschung und das Unbehagen, die er in mir verursacht hatte, waren wie weggewischt. Meine Instinkte sagten mir, dass ich ihm glauben und helfen musste. Das starke emotionale Band, das zwischen mir und dem Tiger vorhanden war, war bei dem Mann noch mächtiger. Leise fragte ich: »Wann wirst du dich in einen Tiger zurückverwandeln?«
»Bald.«
»Tut es weh?«
»Weniger als früher.«
»Verstehst du mich, wenn du ein Tiger bist? Kann ich dann immer noch mit dir reden?«
»Ja, ich kann dich immer noch hören und verstehen.«
Ich machte einen tiefen Atemzug. »Okay. Ich bleibe hier bei dir, bis der Schamane zurückkommt. Trotzdem habe ich noch viele Fragen an dich.«
»Ich weiß. Und ich will sie ehrlich beantworten, aber das wird bis morgen warten müssen, wenn ich wieder mit dir reden kann. Wir können hier die Nacht verbringen. Der Schamane wird bei Einbruch der Dämmerung zurück sein.«
»Ren?«
»Ja?«
»Der Dschungel macht mir Angst, und diese Situation macht mir auch Angst.«
Er ließ das Schürzenband los und sah mir in die Augen. »Ich weiß.«
»Ren?«
»Ja?«
»Geh nicht … weg, okay?«
Sein Gesicht nahm einen zärtlichen Ausdruck an und ein aufrichtiges Lächeln umspielte seinen Mund. » Asambhava . Das werde ich nicht.«
Sein Lächeln entlockte mir ebenfalls eines, da glitt plötzlich ein Schatten über sein Gesicht. Er ballte die Fäuste und spannte den Kiefer an. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, und der Stuhl kippte nach vorne, als Ren zu Boden stürzte, auf Hände und Knie. Ich sprang auf, wollte ihm helfen und musste bestürzt mit ansehen, wie sein Körper die Gestalt wandelte und wieder zu dem Tiger wurde, der mir so vertraut war. Ren, der Tiger, schüttelte sich, kam dann auf meine ausgestreckte Hand zu und rieb den Kopf daran.
9 · Ein Freund
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E in F reun d
I ch saß auf dem Bettrand und grübelte über das nach, was Ren mir offenbart hatte. Als ich den Tiger nun be trachtete, dachte oder hoffte ich vielmehr, dass ich mir wo möglich alles nur eingebildet hatte. Vielleicht liegt es am Dschungel, und ich halluziniere. Ist das alles real? Steckt wirklich ein Mensch unter diesem Fell?
Ren streckte sich auf dem Boden aus und legte den Kopf auf seine Pfoten. Er sah mich eine Weile mit seinen wundervollen blauen Augen an, und mit einem Schlag wusste ich, dass es real war.
Ren hatte gesagt, dass der Schamane bei Anbruch der Dämmerung zurückkäme, was mir noch mehrere Stunden Zeit ließ. Das Bett war sehr einladend, aber ich starrte vor Schmutz. Ich beschloss, dass ein Bad an erster Stelle der Tagesordnung stand, und erkundete die Wanne, die wie in vorsintflutlichen Zeiten
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