Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
Fähigkeit, mich zur Wehr zu setzen. Ich rührte mich nicht. Ich war sicher, andernfalls hätte er sich sofort auf mich gestürzt. Ich streckte die Brust heraus, hob das Kinn und versuchte auszusehen, als wäre ich zu groß, um gefressen zu werden.
Etwa eine Minute verstrich. Dann machte der Panther einen gewaltigen Satz. Im einen Moment hatte er noch geduckt dagesessen, den Schwanz hin und her schnalzend, und im nächsten schnellte er, die scharfen Krallen ausgefahren, dass sie im Mondlicht glitzerten, auf mein Gesicht zu.
Wie versteinert stand ich da und blickte unverwandt auf die Krallen der fauchenden Katze und den weit aufgerissenen Rachen voller Zähne, die sich meinem Gesicht und Hals unaufhaltsam näherten. Ich schrie, warf die Hände hoch, um meinen Kopf zu schützen, und wartete, dass mir Klauen und Zähne die Kehle aufschlitzten.
Ich hörte ein Brüllen und spürte einen Luftstoß an meinem Gesicht und dann … nichts. Ich riss die Augen auf, wirbelte herum, suchte nach dem Panther.
Was ist geschehen? Wie konnte er mich verfehlen?
Ein Gewirr aus weißem und schwarzem Fell wälzte sich durch die Bäume. Es war Ren! Er hatte den Panther mitten im Sprung angegriffen und ihn aus meiner Bahn gelenkt. Der Panther knurrte Ren an und umkreiste ihn, aber Ren fauchte zurück und schlug ihm mit der Tatze ins Gesicht. Der Panther, der sich vermutlich nicht mit einer doppelt so großen Raubkatze anlegen wollte, knurrte noch einmal, wandte sich ab und lief zurück in die Schatten des Dschungels.
Rens schemenhafte Gestalt kam durch die Bäume auf mich zugehumpelt. Sein Rücken war mit blutigen Wunden übersät und seine rechte Vorderpfote war verletzt, womöglich gebrochen. Mein Tiger verwandelte sich in einen Mann und brach keuchend zu meinen Füßen zusammen. Er griff nach meiner Hand.
»Bist du verletzt?«, fragte er.
Ich kniete mich neben ihn und schlang ihm die Arme um den Hals, erleichtert, dass wir beide überlebt hatten.
»Mir geht’s gut. Vielen Dank, dass du mich gerettet hast. Ich bin so froh, dass du lebst. Wirst du gehen können?«
Ren nickte, warf mir ein schwaches Lächeln zu und verwandelte sich wieder in den weißen Tiger. Nachdem er sich rasch über die Pfote geleckt hatte, schnupperte er in die Luft und setzte sich gemächlich in Bewegung.
»Okay. Dann mal los. Ich bin genau hinter dir.«
Nach einer Stunde hatten wir den Jeep erreicht. Zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, tranken wir unseren gesamten Wasservorrat leer, klappten die Rückbank um und kletterten in den Wagen. Ich fiel in einen tiefen Schlaf, den Arm fest um Ren geschlungen.
Die Sonne ging früh auf und im Wagen wurde es schon bald heiß. Beim Aufwachen war ich schweißüberströmt. Mein ganzer Körper schmerzte und war schmutzig. Ren war ebenfalls erschöpft und immer noch schläfrig, doch seine Schrammen sahen nicht schlimm aus. Genau genommen waren sie überraschend schnell verheilt. Meine Zunge war dick und pelzig und ich hatte schreckliche Kopfschmerzen.
Stöhnend setzte ich mich auf. »Igitt, ich fühle mich fürchterlich, dabei war gar nicht ich es, die gegen einen Panther kämpfen musste. Ein Königreich für eine Dusche und ein weiches Bett. Lass uns nach Hause fahren.«
Ich griff in den Rucksack, überprüfte beide Kameras sowie die Kohlezeichnungen und verstaute sie sicher, bevor ich den Jeep anließ und mich in den Morgenverkehr einreihte.
Bei unserer Ankunft kam Mr. Kadam aus der Tür geeilt und bombardierte mich mit Fragen. Ich reichte ihm den Rucksack und taumelte wie ein Zombie ins Haus, während ich vor mich hinmurmelte: »Dusche. Schlafen.«
Ich kämpfte mich die Treppe hoch, schälte mich aus meiner schmutzstarrenden Kleidung und stieg in die Dusche. Beinahe wäre ich im Stehen unter dem lauwarmen Wasserstrahl eingeschlafen, der gegen meinen Rücken häm merte, meinen schmerzenden Körper massierte und den getrockneten Schweiß und den Dreck wegwusch. Nachdem ich mich sogar noch aufgerafft hatte, meine Haare zu waschen, gelang es mir irgendwie, aus der Kabine zu steigen und mich abzutrocknen. Ich schlüpfte in meinen Pyjama und fiel ins Bett.
Ungefähr zwölf Stunden später wachte ich neben einem Essenstablett mit Servierhaube auf und erkannte schlagartig, dass ich am Verhungern war. Mr. Kadam hatte sich selbst übertroffen. Ein Stapel fluffiger Pfannkuchen lag neben einem Teller voller Erdbeeren, Blaubeeren und Bananenscheiben. Erdbeersirup, eine Schüssel Joghurt und ein Becher heiße Schokolade
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