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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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auf eine Bestätigung. Als sie ausblieb, fuhr sie mit sanfter Vehemenz fort: »Aber warum solltest du eine bekommen, wenn ich selbst keine hatte? Meine eigene Mutter kam eines Abends in mein Zimmer. Sie sagte, sie hätte einen Gentleman mitgebracht, der mich ins Bett bringen würde. Aber vorher würde er mir ein paar neue Spiele zeigen. Nach jener Nacht war von meiner Unschuld nichts mehr übrig. Damals war ich zwölf.«
    Sie nahm wieder einen langen Zug von ihrer Wasserpfeife und stieß eine neue schwindelerregende Rauchwolke aus. Catherine blieb nichts mehr anderes übrig, als den Rauch einzuatmen. Der Raum begann langsam zu schaukeln, als befände sie sich an Bord eines Schiffes. Sie trieb in einer Art Hochstimmung auf den Wellen dahin und lauschte Altheas rasender Rede. Sie verspürte auch einen Anflug von Mitgefühl, aber wie der Rest ihrer Gefühle blieb er tief unter der Oberfläche verborgen.
    »Ich spielte mit dem Gedanken wegzulaufen«, erzählte Althea weiter. »Ich bat meinen Bruder – deinen Vater – um Hilfe. Er lebte damals bei uns, kam und ging, wie es ihm beliebte. Er nahm von den Huren Gebrauch, wann immer ihm der Sinn danach stand, natürlich umsonst, und sie wagten es nicht, sich bei Mutter zu beschweren. ›Ich brauche nur etwas Geld‹, sagte ich zu ihm. ›Ich werde weit weg aufs Land gehen.‹ Aber anstatt mir zu helfen, lief er zu meiner Mutter und erzählte ihr brühwarm, um was ich ihn gebeten hatte. Danach durfte ich monatelang das Haus nicht verlassen.«
    Nach dem wenigen, was Catherine von ihrem Vater wusste, einem ungehobelten und mitleidlosen Individuum, fiel es ihr leicht, die Geschichte zu glauben. Dennoch hörte sie sich selbst wie aus weiter Ferne fragen: »Und warum hat er dir nicht geholfen?«
    »Meinem Bruder gefiel es so, wie es war – er bekam von allem das Beste, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Mutter gab ihm alles, was er wollte. Und dem selbstsüchtigen Mistkerl machte es nichts aus, mich dafür zu opfern, dass er weiterhin so bequem leben konnte. Siehst du, er war eben ein Mann.« Sie machte eine Pause. »Und so wurde ich eine Hure. Jahrelang betete ich um Rettung. Aber Gott hört die Gebete der Frauen nicht. Er kümmert sich nur um die, die Er nach Seinem Bilde schuf.«
    Catherine blinzelte in dem Versuch, ihre Gedanken beisammenzuhalten. »Tante«, sagte sie vorsichtig, »warum hast du mich hierherbringen lassen? Wenn es dir angetan wurde … warum musst du es mir antun?«
    »Warum solltest du entkommen, wenn es mir nicht vergönnt war? Ich will, dass es dir genauso ergeht wie mir. Ich bin so geworden wie Mutter. Jetzt sollst du so werden wie ich.«
    Ja … das war eine von Catherines Ängsten, um genauer zu sein die größte. Dass sie, sobald man sie nur in die richtige Lage brachte, von ihrer eigenen Schlechtigkeit überwältigt würde.
    Es sei denn … es wäre nicht so.
    Catherines benebelter Verstand krallte sich an dem Gedanken fest, drehte ihn herum und untersuchte ihn gründlich. Die Vergangenheit war nicht die Zukunft. »Ich bin nicht wie du«, erklärte sie langsam. »Werde es auch niemals sein. Was man dir angetan hat, Tante, erfüllt mich mit Schmerz. Aber ich habe diese Wahl nicht getroffen.«
    »Ich werde dich vor eine neue Wahl stellen.«
    Trotz ihres vom Opium benommenen Zustands bekam Catherine eine Gänsehaut.
    »Entweder löst du endlich die Jahre alte Vereinbarung mit Lord Latimer ein«, fuhr Althea fort, »oder du bedienst die Kunden im Bordell, so wie ich es mein Leben lang getan habe. Such es dir aus.«
    Catherine lehnte es ab, eine Wahl zu treffen. »Ganz gleich, was du mit mir machst«, sagte sie unter Drogen, aber unbeugsam, »nichts wird etwas daran ändern können, wer ich bin.«
    »Und wer bist du?« Altheas Stimme triefte vor Verachtung. »Eine anständige Frau? Zu gut für die Leute hier?«
    Catherine wurde der Kopf so schwer, dass sie ihn nicht länger halten konnte. Sie sank auf das Sofa und legte den Kopf auf das Polster. »Eine Frau, die geliebt wird.«
    Das war die schlimmste, schmerzhafteste Antwort, die sie Althea hätte geben können. Und es war die Wahrheit.
    Catherine war nicht imstande, die Augen zu öffnen, bemerkte aber eine emsige Geschäftigkeit in ihrer unmittelbaren Nähe, bis sie Altheas tentakelähnlichen Griff in ihrem Gesicht spürte sowie einen Lederschlauch, der ihr zwischen die Lippen geschoben wurde. Dann wurde ihr die Nase zugehalten, und sie atmete hilflos ein. Ein Schwall kühlen, beißenden Rauchs

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