Kuss im Morgenrot: Roman
Kleidung?«
»Für Haare«, sagte Beatrix. »Weißt du, Miss Marks will sich das Haar vor dem Ball dunkel färben, aber sie hatte Bedenken, das Färbemittel des Apothekers könnte wieder misslingen wie beim letzten Mal. Also legte Cook ihr ein Rezept nahe, das ihre Mutter früher selbst benutzt hat. Man kocht Walnussschalen und Kassiarinde zusammen mit Essig und …«
»Warum färbt Marks ihre Haare?«, wollte Leo wissen. Er bemühte sich, einen neutralen Ton anzuschlagen, obwohl ihm die Vorstellung in der Seele wehtat. Dieses wunderschöne Haar, glänzendes Gold und heller Bernstein, von einer stumpfen, eintönigen Farbe überdeckt.
Win antwortete vorsichtig: »Ich glaube, sie will weniger … sichtbar sein, wenn so viele Gäste zu dem Ball kommen. Ich habe sie nicht nach Antworten gedrängt, weil ich finde, dass sie ein Recht auf ihre Privatsphäre hat. Leo, bitte, tu mir einen Gefallen und quäle sie nicht damit.«
»Findet es niemand außer mir merkwürdig, dass wir eine Angestellte haben, die sich ständig unbedingt tarnen will?«, fragte Leo. »Ist diese Familie so verdammt exzentrisch, dass wir jede Seltsamkeit einfach so hinnehmen, ohne überhaupt nur nachzufragen?«
»Das ist überhaupt nicht so komisch«, erklärte Beatrix. »Viele Tiere wechseln ihre Farbe. Tintenfische zum Beispiel, oder bestimmte Froscharten, und natürlich Chamäleons …«
»Entschuldigt mich«, sagte Leo zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er verließ entschlossenen Schrittes die Küche, während Win und Beatrix ihm nachstarrten.
»Ich wollte gerade ein paar sehr interessante Details über Chamäleons anführen«, sagte Beatrix.
»Bea, Liebes«, murmelte Win, »vielleicht gehst du besser hinaus in den Stall und holst Cam.«
Catherine saß an ihrer Frisierkommode und betrachtete ihr eigenes angespanntes Spiegelbild. Mehrere Gegenstände waren sorgfältig vor ihr angeordnet: ein Stapel Handtücher, ein Kamm, ein Krug und eine Schüssel sowie ein Topf mit einer schlammigen dunklen Flüssigkeit, die an Schuhcreme erinnerte. Sie hatte eine einzelne Haarlocke mit dem Zeug eingeschmiert und wartete auf das Ergebnis, um die Farbe zu überprüfen. Nach der letzten Katastrophe, als ihr Haar plötzlich grün geworden war, ging sie kein Risiko mehr ein.
Bis zum Hathaway-Ball waren es gerade einmal zwei Tage. Sie hatte gar keine andere Wahl, als sich so unauffällig wie möglich zu machen. Gäste aus angrenzenden Grafschaften würden teilnehmen, genauso wie viele Familien aus London. Und wie immer hatte sie Angst, erkannt zu werden. Doch solange sie ihre Erscheinung verschleierte und sie sich nur am Rand des Geschehens aufhielt, würde sie niemand erkennen. Zumindest war es bisher so gewesen. Anstandsdamen waren meist alte Jungfern oder arme Witwen, unattraktive Frauen, die dazu eingesetzt wurden, auf junge Mädchen aufzupassen, die ihre besten Jahre noch vor sich hatten. Catherine war kaum älter als diese Mädchen, aber sie hatte das Gefühl, als lägen Jahrzehnte zwischen ihnen.
Catherine wusste, dass ihre Vergangenheit sie eines Tages einholen würde. Und wenn es so weit war, wäre ihre Zeit bei den Hathaways vorbei. Es war die einzige wirklich glückliche Zeit ihres Lebens gewesen. Sie würde sie schmerzlich vermissen.
Jeden von ihnen.
Die Tür flog auf und setzte Catherines stiller Kontemplation ein jähes Ende. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl um und erblickte Leo in bemerkenswert derangiertem Zustand. Er war verschwitzt und zerzaust und dreckig, und er stand in Socken vor ihr.
Sie sprang auf, um ihm entgegenzutreten, und merkte zu spät, dass sie nichts als ein zerknittertes Unterkleid anhatte.
Er verschlang sie mit Blicken, ihm entging kein einziges Detail, und Catherine wurde rot vor Wut. »Was machen Sie hier?«, schrie sie. »Sind Sie verrückt geworden? Verlassen Sie auf der Stelle mein Zimmer.«
Dreizehntes Kapitel
Leo schloss die Tür hinter sich und war mit zwei großen Schritten bei ihr. Er zerrte sie gewaltsam zur Waschschüssel.
»Aufhören!«, kreischte sie und schlug wie wild um sich, während er ihren Kopf über die Schüssel hielt und ihr mit Hilfe des Krugs die Haarlocke auswusch, die sie mit Färbemittel getränkt hatte. Wütend stieß sie hervor: »Was ist los mit Ihnen? Was tun Sie da?«
»Ich wasche Ihnen den Schleim aus dem Haar.« Er kippte ihr das restliche Wasser über den Kopf.
Catherine schrie und tobte und schaffte es irgendwie, auch ihn mit Wasser zu bespritzen, bis sich auf dem Boden
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