Kuss im Morgenrot: Roman
zuckte zusammen. Sie versuchte gefasst zu klingen, doch sie sprach mit zittriger Stimme. »In jeder Hinsicht mittelmäßig zu sein, heißt nicht, dass ich das Zeug zur Prostituierten habe.«
»Du betrügst dich selbst, mein Kind. Du bist das Erzeugnis von zwei Familien treuloser Frauen. Deine Mutter war nicht in der Lage, fest mit jemandem zusammen zu sein. Die Männer fanden sie unwiderstehlich, und sie selbst konnte dem Gefühl nicht widerstehen, gewollt zu werden. Und was unsere Seite betrifft … deine Urgroßmutter war eine Zuhälterin, und sie bildete ihre Tochter in dem Geschäft aus. Dann war ich an der Reihe, und als Nächstes bist du dran. Von allen Mädchen, die für uns arbeiten, hast du am meisten Glück. Du wirst nicht an jeden Mann von der Straße vermietet. Du wirst der Star unseres kleinen Geschäfts sein. Ein einziger Mann für einen vereinbarten Zeitraum. Auf diese Weise wirst du uns länger erhalten bleiben. Die Abnutzung ist geringer.«
Ganz gleich, wie sehr sich Catherine dagegen wehrte, sie wurde schon bald an Guy, Lord Latimer, verkauft. Er war ihr so fremd wie alle Männer mit seinem sauren Atem, dem vernarbten Gesicht und den grabschenden Händen. Er hatte versucht sie zu küssen und die Hände in die Öffnungen ihrer Kleider zu zwängen und an ihr herumgezerrt wie ein Wildhüter, der ein totes Raufußhuhn rupft. Und er war über ihren Widerstand amüsiert gewesen und hatte ihr ins Ohr gegrunzt, was er alles mit ihr anstellen würde, und sie hatte ihn verabscheut, wie sie alle Männer der Welt verabscheute.
»Ich werde dir nicht wehtun … wenn du dich mir nicht widersetzt …«, hatte Latimer gesagt. Dann hatte er ihre Hände genommen und sie gezwungen, ihn anzufassen. »Es wird dir gefallen. Deine kleine Fotze weiß, was gut ist, ich werde dir zeigen …«
» Nein! Lassen Sie mich, rühren Sie mich nicht … «
Sie wachte schluchzend auf, verzweifelt gegen eine harte Brust hämmernd. » Nein! «
»Cat. Ich bin’s. Sch! Ich bin’s nur.« Eine warme Hand streichelte über ihren Rücken.
Sie wurde still und drückte ihre nasse Wange gegen sein weiches Brustfell. Der Klang seiner Stimme war tief und vertraut. »Mylord?«
»Ja. Es war nur ein Albtraum. Es ist vorbei. Komm in meine Arme.«
In ihrem Kopf pochte es. Sie fühlte sich schwach und krank und eiskalt vor Scham. Leo drückte sie fest an seine Brust. Als er ihr Zittern spürte, strich er ihr mehrmals besänftigend über das Haar. »Worum ging es in dem Traum?«
Sie schüttelte den Kopf und schauderte.
»Er handelte von Latimer, hab ich recht?«
Nach langem Zögern räusperte sie sich und antwortete: »Zum Teil.«
Er liebkoste ihren Rücken mit beschwichtigenden kreisenden Bewegungen, und seine Lippen senkten sich auf ihre feuchten Wangen. »Du hast Angst, dass er hinter dir her ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Schlimmer.«
Mit äußerster Sanftheit fragte er: »Kannst du es mir nicht sagen?«
Catherine riss sich von ihm los und rollte sich mit dem Rücken zu ihm ein. »Es ist nichts. Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe.«
Leo schmiegte sich von hinten an sie. Sie erschauderte. Eine umfassende Wärme erfüllte sie, als er ihren Körper der Länge nach umhüllte. Lange haarige Beine schoben sich angewinkelt unter ihre, und ein muskulöser Arm umschlang sie von hinten. Seine ganze Beschaffenheit, seine Gerüche und Impulse waren um sie herumgewickelt, und sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken. Was für ein merkwürdiges Wesen ein Mann doch war!
Es war falsch, Gefallen an alldem zu finden. Was Althea über sie gesagt hatte, stimmte vielleicht. Sie hatte das Wesen einer Hure, ein krankhaftes Verlangen nach männlicher Aufmerksamkeit … sie war tatsächlich die Tochter ihrer Mutter. Sie hatte diese Seite von sich jahrelang unterdrückt und ignoriert. Aber jetzt trat sie zutage, so deutlich wie das Gegenbild im Spiegel. »Ich will nicht wie sie sein«, flüsterte sie gedankenlos.
»Wie wer?«
»Meine Mutter.«
Seine Hand ließ sich auf ihrer Hüfte nieder. »Dein Bruder hat mir den deutlichen Eindruck vermittelt, dass du definitiv nicht wie sie bist.« Er machte eine Pause. »In welcher Hinsicht hast du Angst vor einer Ähnlichkeit?«
Catherine schwieg, ihr Atem flackerte, als sie versuchte, einen neuerlichen Schwall von Tränen zurückzuhalten. Er würde sie mit dieser neu entdeckten Zärtlichkeit noch zugrunde richten. Jetzt gerade wäre ihr der alte Leo, der spöttische, lieber gewesen. Es schien, als
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