Kuss im Morgenrot: Roman
Bad gesehnt zu haben. Nachdem sie sich die Haare auf dem Scheitel festgesteckt hatte, legte sie den Morgenmantel, das Hemd und die Brille ab, deponierte alles auf dem Bett und warf einen vorsichtigen Blick auf Leo, dessen besonderes Interesse dem Kutschparkplatz zu gelten schien. Er hatte das Fenster einen Spaltbreit geöffnet und ließ den Geruch nach Staub und Regen herein.
»Nicht gucken«, sagte sie ängstlich.
»Tu ich nicht. Obwohl du wirklich schnellstens deine Hemmungen ablegen solltest«, erwiderte er. »Sie könnten dich noch daran hindern, der Versuchung zu erliegen.«
Sie sank behutsam in den verbeulten Waschbottich. »Ich würde sagen, der Versuchung bin ich heute schon ziemlich gründlich erlegen.« Sie seufzte erleichtert, als das Wasser ihre schmerzenden intimen Stellen wohlig umspülte.
»Es war mir eine Ehre, dir dabei behilflich zu sein.«
»Du warst mir nicht behilflich«, entgegnete sie. »Du bist die Versuchung.« Sie hörte ihn kichern.
Leo hielt den gewünschten Abstand, während Catherine badete, und blickte hinaus in den Regen. Nachdem sie sich gewaschen und abgespült hatte, war sie so müde, dass sie bezweifelte, allein aus der Wanne steigen zu können. Mit zittrigen Beinen stand sie auf und angelte nach einem der Handtücher, die in Reichweite auf dem Hocker lagen.
Als Catherine aus dem Wasser stieg, kam Leo ihr zu Hilfe und hielt ihr das Handtuch hin, wickelte sie darin ein. Wie in einen Kokon gehüllt, stand sie da, an ihn geschmiegt, und er schloss die Arme um sie. »Lass mich heute Nacht bei dir schlafen«, murmelte er in ihr Haar, und in der Bitte lag eine Frage.
Catherine blickte zweifelnd zu ihm hoch. »Was würdest du tun, wenn ich es ablehnte? Ein weiteres Zimmer mieten?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich würde mir Sorgen um deine Sicherheit machen, wenn ich in einem anderen Raum übernachten würde. Wenn du Nein sagst, lege ich mich zum Schlafen auf den Boden.«
»Nein, wir schlafen gemeinsam im Bett.« Sie presste ihre Wange an seine Brust und ließ alle Anspannung von sich abfallen. Wie behaglich sich das anfühlte, dachte sie voll Staunen. Wie ruhig und sicher sie sich bei ihm fühlte. »Warum war es nicht schon immer so?«, fragte sie versonnen. »Wärst du immer so zu mir gewesen, hätte ich mich nie mit dir gestritten.«
»Ich habe versucht, nett zu dir zu sein. Ein oder zweimal. Es ging nicht gut.«
»Wirklich? Das habe ich gar nicht bemerkt.« Ihre vom Baden schon rosige Haut nahm einen noch dunkleren Farbton an. »Ich war misstrauisch. Voller Argwohn. Und du … warst alles, wovor ich mich fürchtete.«
Leos Arme schlossen sich noch fester um sie angesichts dieses Geständnisses. Er blickte nachdenklich auf sie herab, als versuchte er etwas in seinen Gedanken zu entwirren, als gelangte er in diesem Moment zu einer neuen Erkenntnis. Seine blauen Augen waren wärmer, als sie sie je zuvor gesehen hatte. »Lass uns eine Abmachung treffen, Marks. Anstatt wie bisher das Schlimmste voneinander anzunehmen, lass uns ab jetzt versuchen, immer das Beste vom anderen zu denken. Einverstanden?«
Catherine nickte, wie hypnotisiert von seiner Sanftheit. Ihr war, als hätten diese wenigen einfachen Sätze eine größere Veränderung zwischen ihnen herbeigeführt als alles Vorangegangene.
Behutsam gab Leo sie frei. Sie schlüpfte ins Bett, während er sich unbeholfen in einer Wanne wusch, die für einen Mann von seiner Statur nicht annähernd groß genug war. Sie lag da und betrachtete ihn schläfrig, wohlig eingehüllt in die frischen, trockenen Laken. Und ungeachtet all der Probleme, die sie erwarteten, sank sie in einen tiefen Schlaf.
In ihren Träumen kehrte sie zu dem Tag zurück, an dem sie fünfzehn geworden war. Sie war damals bereits seit fünf Jahren elternlos und lebte bei ihrer Großmutter und Tante Althea. Ihre Mutter war zu dieser Zeit bereits verstorben. Der genaue Zeitpunkt ihres Todes war ihr nicht bekannt, da sie erst einige Zeit später von dem Ereignis erfahren hatte. Sie hatte Althea gefragt, ob sie ihre kranke Mutter besuchen dürfe, und Althea hatte geantwortet, dass sie bereits verstorben sei.
Obwohl sie wusste, dass ihre Mutter an einer unheilbaren Krankheit litt und es keine Hoffnung auf Heilung gab, war die Nachricht für sie ein Schock. Catherine hatte begonnen zu weinen, doch Althea war ungeduldig geworden und hatte sie angefahren: »Es nützt nichts, jetzt noch herumzuheulen. Deine Mutter ist schon lange tot und begraben.« In Catherine blieb
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