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Kuss mich kuss mich nicht

Kuss mich kuss mich nicht

Titel: Kuss mich kuss mich nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bird Jessica
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spähte in den Flur. Das einzige Geräusch, das sie vernahm, war das Zusammenklappen von Arties Kiefern, nachdem er gähnend neben ihrem Bett auf den Boden gesunken war.
    Eilig ging sie über den Flur und klopfte an Jacks Tür. Er antwortete nicht.
    »Suchen Sie meinen Bruder?«
    Sie wirbelte herum. Nate kam, ein Buch in seiner Hand, den Flur herauf und sah sie grinsend an.
    »Ah – ja.«
    »Er ist unten in seinem Arbeitszimmer.« Er blieb stehen und flüsterte verschwörerisch: »Keine Sorge, ich kann schweigen wie ein Grab. Oh, und passen Sie auf die dritte Stufe von unten auf, die knirscht nämlich fürchterlich.«
    Er zwinkerte ihr zu und schlenderte gemächlich weiter in Richtung seines eigenen Schlafzimmers.
    Eilig lief Callie nach unten, mied dabei die Stufe, vor der Nate sie gewarnt hatte, und marschierte durch den Flur in Richtung von Jacks Arbeitszimmer, dessen Tür geöffnet war.
    Er saß in einem Lichtkegel mit dem Rücken zu seinem Schreibtisch und hatte das Telefon noch in der Hand, als hätte er gerade erst aufgelegt.
    Dann drehte er den Kopf, als ob er ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe gesehen hätte, und als die Stille unerträglich wurde, meinte sie: »Wir müssen miteinander reden.«
    »Jetzt?«, fragte er so leise, dass es fast nicht zu verstehen war.
    Sie räusperte sich. »Ja.«
    Wieder folgte eine lange Pause, dann aber nickte er mit dem Kopf. »Okay.«
    Callie runzelte die Stirn, denn irgendetwas stimmte ganz eindeutig nicht mit ihm.
    »Was ist passiert, Jack?«
    Langsam drehte er sich mit seinem Stuhl zu ihr herum. Sein Gesicht war starr, und seine Lippen bildeten einen grimmigen Strich.
    »Sie ist heute Nachmittag gestorben.«
    Wer?, fragte sich Callie.
    Oh nein, die kleine Tochter seines Managers.
    »Oh Jack …«
    Seine Stimme klang so hohl, als verhindere er nur durch seine eiserne Willenskraft den völligen Zusammenbruch. »Sie wird morgen Nachmittag entsprechend der jüdischen Tradition beerdigt. Natürlich gehe ich hin. Die Firma mache ich zu, weil nämlich auch alle anderen gehen. Und dann wird ihre Familie nächste Woche Schiwa sitzen, das heißt, zuhause um sie trauern, wie es bei den Juden üblich ist.«
    In der Hoffnung, dass er sich von ihr umarmen lassen würde, trat sie zu ihm hinter den breiten Tisch, und als er sich an sie lehnte, spürte sie das Zittern, das dabei durch seinen Körper rann.
    Er atmete tief ein. »Ich habe sie jeden Abend auf dem Rückweg aus der Firma zuhause besucht. Deshalb kam ich immer so spät. Sie hatten diese wunderbare Schwester aus dem Hospiz, die sich rührend um sie gekümmert hat.« Wieder spürte sie das Heben und Senken seiner Brust. »Ich werde dem Hospiz-Zentrum eine Spende in ihrem Namen machen. Das wird« – er räusperte sich leicht – »die allererste freiwillige Spende sein, die jemals eine Einrichtung von mir bekommen hat.«
    Callie hielt ihn fest im Arm und wünschte sich, ihr fiele irgendetwas ein, womit er sich trösten ließ.
    Schließlich hob er den Kopf und sah sie an. »Ich weiß, dass wir noch viele Dinge klären müssen. Aber bleibst du trotzdem heute Nacht bei mir?«
    Als sie nickte, nahm er ihre Hand und stand langsam auf.

20
    F rüh am nächsten Morgen saß Callie an ihrem Arbeitstisch, schnappte sich die Gläser mit den Lösungsmitteln und schraubte sie auf. Dann setzte sie ihre Atemschutzmaske auf, tauchte einen Wattebausch in das Isopropanol und strich vorsichtig mit der Lösung über die Oberfläche des Porträts. Inzwischen war sie in der Mitte des Gemäldes in Höhe des Spiegels angelangt, denn während ihres Streits mit Jack hatte sie kaum jemals eine Arbeitspause eingelegt. Weshalb die Reinigung fast abgeschlossen war.
    Sie hob den Kopf. Draußen schien die Sonne, und der Himmel erstrahlte in einem wolkenlosen Blau.
    Sie konnte einfach nicht aufhören, an die letzte Nacht zu denken. Sie hatten sich geliebt, und danach hatte Jack sie so lange im Arm gehalten, bis sie eingeschlafen war. Sie hatten nicht viel miteinander gesprochen, aber es hatte ihr genügt, mit ihm zusammen zu sein und wenigstens körperlich die Distanz zu überwinden, die zwischen ihnen entstanden war. Vor allem hatte es sie erleichtert, dass er in einem Moment größter Verletzlichkeit ihre Nähe zugelassen und ihr die Gelegenheit gegeben hatte, für ihn da zu sein.
    Als er morgens gegangen war, hatte er ihr versprochen, sich abends mit ihr auszusprechen, und sie hoffte, er würde ihr erklären, dass er auf die Kandidatur verzichtete, damit

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