Kuss mich kuss mich nicht
Hungerleiderin gefühlt. Und schließlich war Würde praktisch das Einzige, das nicht nur Reichen vorbehalten war.
Stirnrunzelnd dachte sie an die Vergangenheit. Vielleicht hatte ihre Mutter deswegen so viele Geschenke abgelehnt. Meistens hatte sie schweigend den Kopf geschüttelt, wenn ihr Vater mit einer kleinen, hübsch verpackten Schachtel oder einem riesigen Paket mit einer Schleife drum herum in der Tür ihres Apartments erschienen war.
»Haben Sie dadurch auch Grace kennengelernt?«, fragte Jack mit einem Mal. »Durch ihre Arbeit als Restauratorin?«
Callie zögerte und wünschte sich, sie wäre eine bessere Lügnerin. »Man könnte sagen, dass wir uns durch ihre Stiftung kennen, ja.«
»Sie lobt sie immer in den höchsten Tönen.«
»Sie ist wirklich nett.«
»Allerdings. Grace ist einer der nettesten Menschen, die es gibt.«
Mit einem Mal fragte sich Callie, ob Jack jemals mit ihrer Halbschwester liiert gewesen war. Die beiden hätten ausgezeichnet zueinandergepasst.
»Und sie ist wunderschön. Macht Ihrem Titel alle Ehre«, murmelte sie.
»Ich dachte, sie und der Graf ließen sich scheiden?«
»Ich meine, dem Titel als einer der schönsten Frauen auf der Welt.«
Ohne auch nur zu blinken, vollzog Jack einen U-Turn, bog auf den Parkplatz neben den hellen niedrigen Gebäuden des Museum of Fine Arts, des Museums der Schönen Künste, ein, schaltete den Motor aus und löste seinen Gurt.
»Callie?«
»Was? Oh ja, richtig, wir sind da.«
Als sie ausstiegen, bedachte er sie mit einem eigenartigen Blick und wollte von ihr wissen: »Alles klar?«
»Ja, sicher. Alles klar.«
Nur dass sie nicht zu den schönsten Frauen auf der Welt zählte und sich fragte, weshalb ihr das plötzlich wichtig war. Schließlich war ihr ihr Aussehen, weiß Gott, normalerweise vollkommen egal.
Aber seit sie Jack begegnet war, gingen ihr eben jede Menge ungewöhnlicher Gedanken durch den Kopf.
Sobald sie im Museum waren, kamen jede Menge Leute auf sie zu. Jack schien sie alle namentlich zu kennen, und der Respekt, mit dem sie ihm begegneten, sagte sehr viel über das, was das Museum ihm und seiner Familie verdanken musste, aus.
Kaum hatten sie ihre Garderobe abgegeben, kam Mrs Walker ins Foyer marschiert. Sie gestikulierte wild und sprach mit einem Angestellten des Museums, der einen Notizblock in den Händen hielt und sich alles, was sie sagte, aufzuschreiben schien. Jacks Mutter trug ein schwarzes Kostüm, hatte eine elegante Perlenkette um den Hals und wirkte so frisch und elegant wie eins der Models aus der Vanity Fair. Der Angestellte, der ihr folgte, allerdings sah vollkommen erledigt aus.
Als sie vor ihrem Sohn zum Stehen kam, scheuchte sie den Lakaien mit einer wegwerfenden Geste fort. »Willst du zu Gerard?«
Callie wusste, sie sprach von Gerard Beauvais, dem Chefrestaurator des MFA . Sie hatte von dem Mann gehört, auch wenn sie ihm bisher noch nie begegnet war. Er war eine Legende in der Welt der Kunst und hatte Werke einiger der größten Meister wie da Vinci, Michelangelo und Rembrandt konserviert.
Jack nickte. »Ich dachte, dass Callie und er sich kennenlernen sollten.«
Mrs Walker zog die Augenbrauen hoch. »Vielleicht ist Ms Burke ja damit einverstanden, dass er ihr bei ihrer Arbeit assistiert. Vorausgesetzt, dass sie für eine Zusammenarbeit offen ist.«
Callie spürte, wie sich ihr Magen schmerzlich zusammenzog, Jack jedoch sah seine Mutter einfach reglos an. »Habe ich dir gegenüber schon erwähnt, dass Callie deiner Freundin Micheline Talbot bei der Restaurierung des angerissenen de Kooning geholfen hat?«
Mrs Walkers Augen flackerten lange genug, um Callie zu zeigen, dass sie wusste, von welchem Projekt die Rede war.
»Du kannst dich doch bestimmt an das Gemälde erinnern, Mutter«, fuhr ihr Sohn geschmeidig fort. »Es hängt im Mo MA . Du hast mir erzählt, Micheline hätte ein ums andere Mal gesagt, dass sie ohne ihre Assistentin völlig aufgeschmissen gewesen wäre. Dass die junge Frau unglaublich talentiert und es eine wahre Freude gewesen wäre, mit ihr zusammenzuarbeiten, stimmt’s?«
Callie hielt den Atem an und wünschte sich, er würde das Thema beenden.
»Weißt du noch, Mutter?«
»Ja, ja, natürlich. Das Ergebnis war wirklich außerordentlich.«
»Deshalb denke ich, dass Callie auch mit Gerard hervorragend auskommen wird.«
Mrs Walker betastete ihre tadellose Frisur. »Davon bin ich überzeugt. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich fahre erst mal heim. Die
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