Kusswechsel
tapste ins Badezimmer. Es war Freitag. Die meisten Menschen sind froh, wenn Freitag ist, weil dann ihre Arbeitswoche endet. Ich habe einen Job, der keinen Feierabend kennt. Connie arbeitete an Samstagen halbtags. Vinnie arbeitete, wenn er nichts Besseres zu tun hatte. Wann Lula arbeitete, wussten wir nie. Und ich arbeitete ununterbrochen. Zugegeben, es war keine geregelte Arbeitszeit, aber ich hielt immer Ausschau. Gelegenheiten für eine Festnahme ergaben sich, wenn man sie am wenigsten erwartete – in Supermärkten, auf Flughäfen, in Shopping Malls und in Kinos.
Und wo wir schon mal beim Thema Kino sind: Wäre ich eine bessere Kopfgeldjägerin, könnte ich mir die Wochenenden wahrscheinlich freinehmen. Wenn man eine Festnahme verbockt, so wie ich gestern Abend, musste man doppelt so hart schuften, die Scharte wieder wettzumachen. Pancek wusste jetzt, wie ich aussah, und er wusste, dass ich hinter ihm her war.
Es hätte gestern genügend Gelegenheiten für mich gegeben, mein eigenes Duschgel zu kaufen, aber dankenswerterweise hatte ich es vergessen. Deswegen musste ich wieder auf Rangers Duschgel zurückgreifen. Ein Härtetest, nicht? Und dann musste ich mich auch noch mit einem seiner dicken, supersaugfähigen Handtücher abtrocknen. Ein weiterer Härtetest, dem zu unterwerfen ich mich gezwungen sah. Ich gebe zu, Rangers Lifestyle gefiel mir. Und ungern gebe ich noch etwas zu: Mir gefiel die ergaunerte Intimität. Dafür würde ich eines Tages Bußgebete ohne Ende ableisten müssen.
Und noch einen anderen Preis würde ich zahlen müssen, sollte Ranger zurückkehren. Selbst wenn ich zu dem Zeitpunkt längst wieder verschwunden war, selbst wenn ich alle seine Laken gewaschen und gebügelt hätte – Ranger würde sofort merken, dass jemand in seine Wohnung eingedrungen war. Der Mann war Sicherheitsexperte. Vermutlich waren überall Überwachungskameras installiert. Ich hoffte nur, dass sie nicht auch in seiner Wohnung waren. Dass welche in der Tiefgarage, im Aufzug und dem Foyer vor seiner Wohnungstür hingen, war durchaus denkbar. Bisher war niemand gekommen, um mich zu verhaften. Entweder saß niemand vor den Schirmen, oder man hatte Ranger kontaktiert, und er hatte seine Erlaubnis gegeben, dass ich bei ihm wohnen durfte.
Ich zog mir Jeans, Turnschuhe und ein weißes Stretch-T-Shirt mit Rundausschnitt an, schmierte mir etwas Tusche auf die Wimpern und eilte in die Küche. Ich schüttete eine Hand voll Frosted Flakes in Rex’ Fressnapf und für mich eine zweite Hand voll in eine kleine Schüssel. Weil ich spät dran war, ersparte ich mir den Kaffee. Als Erstes musste ich sowieso ins Büro, da würde ich schon eine Tasse kriegen.
Ich zog mein Handy aus der Steckdose, schnappte mir meine Jeansjacke und Umhängetasche und schloss hinter mir ab. Mit dem Aufzug fuhr ich nach unten zur Tiefgarage und durchlebte einen kurzen Moment der Angst, als die Türen zur Seite glitten und ich ungeschützt dastand. Selbst wenn ich längst von einer Kamera eingefangen worden war, wollte ich eine Konfrontation so lange wie möglich hinauszögern. Es hatte keinen Sinn, irgendwas zu forcieren und mein Mietverhältnis zu gefährden. Ich brauchte eine Bleibe, und ich hatte schon genug anderen Ärger mit Ranger. Warum nicht in der Zwischenzeit das meiste herausholen.
Ich sah mich um, konnte niemanden entdecken, trat aus dem Aufzug, die Türen schlossen sich hinter mir – da hörte ich Stimmen im Treppenhaus.
Direkt vor mir standen Rangers beide Autos. Ein Stück weiter rechts waren drei schwarze Geländewagen, links ein blauer Geländewagen von Subaru und eine silbermetallic Audi-Limousine. Ohne viel zu überlegen sprang ich hinter den Subaru, kauerte mich auf den Boden und konnte nur hoffen, dass man mich nicht sah. Ich wusste nicht, wer alles Zutritt zur Garage hatte, aber die beiden schwarzen Geländewagen, überlegte ich, gehörten bestimmt Rangers Männern.
Die Tür zum Treppenhaus öffnete sich, Tank und zwei andere Männer kamen heraus. Alle drei stiegen in einen der schwarzen Geländewagen und fuhren aus der Garage heraus. Ich wartete ein paar Sekunden ab, bevor ich mich hervortraute, über den Boden huschte, das Gitter mit der Fernbedienung in Bewegung setzte und ins Freie flüchtete.
Das Kautionsbüro ist in der Hamilton Street, genau in der Mitte eines Häuserblocks. Hinter unserem Haus verläuft eine kleine einspurige Zufahrtsstraße, von der man den Hintereingang erreicht. Ich stellte Rangers Truck in einer
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