Kusswechsel
entschied mich nicht für die gewohnte Strecke nach Burg, sondern schlug kurzerhand die entgegengesetzte Richtung ein.
»Schlimm«, stellte Lula fest, als wir auf dem Highway waren. »Der Kerl hat dich erkannt. Er wusste, wer du bist. Und er wusste es nicht etwa, weil du dich auch zufällig auf dem Parkplatz aufgehalten hast. Von denen hat uns ja keiner gesehen. Der Kerl ist böse, und er meint es ernst, und er wusste, wer du bist.«
Ich verdrängte den Gedanken und konzentrierte mich aufs Fahren. Ich wollte nicht panisch werden. Vorsicht ist gut, Angst ist kontraproduktiv. Ich fuhr einige Kilometer Umweg, und wir erreichten Panceks Haus, ohne dass wir unterwegs Morelli begegnet wären.
Im Haus von Pancek war alles dunkel, und sein Auto war auch nicht zu sehen. Gemächlich fuhr ich einige Häuserblocks ab und suchte das Auto. Null Erfolg. Vielleicht hatte er den Wagen in der Garage eines Freundes untergestellt, vielleicht versteckte er sich in dem dunklen Haus, aber ich glaubte nicht daran. Ich vermutete eher, dass er sich an jemanden gewandt hatte, dem er vertraute, und dass er versuchen würde, die Handschellen loszuwerden.
Ich brachte Lula nach Hause, danach fuhr ich zu Rangers Wohnung in der Haywood Street. Ich stellte den Truck in einer Seitenstraße ab und ging den Weg zur Tiefgarage zu Fuß. Ich sah an dem Gebäude hoch. Wieder brannte Licht im vierten und fünften Stock. Ich öffnete mit der Fernbedienung das Sicherheitsgitter und huschte durch die Garage zum Aufzug. Rangers Turbo und der Porsche Cayenne standen noch immer an ihrem Platz, seitlich davon, an der Wand, ein schwarzer Ford Explorer, und neben dem Geländewagen parkte ein schwarzer GMC Sonoma.
Ich betrat den Aufzug, beamte mich mit der Fernbedienung in den sechsten Stock und hielt den Atem an. Die Aufzugtüren öffneten sich zu dem spartanischen Foyer, und ich stieg aus.
Ich lauschte an der Tür zu Rangers Wohnung, hörte nichts, hielt wieder die Luft an und schloss auf. Alles schien so, wie ich es verlassen hatte. Sehr ruhig. Temperatur vielleicht ein klein wenig kühl. Dunkel – wie Ranger. Ich begrüßte Rex in der Küche und stellte die Einkaufstüten auf die Ablage. Dann steckte ich erst mal mein Handy zum Aufladen in die Steckdose und räumte die Lebensmittel ein.
Ich fragte mich, was es mit den beiden Stockwerken unter mir auf sich hatte. An beiden Abenden hatte Licht gebrannt, und mehrere schwarze Autos waren in die Garage hinein- und herausgefahren. Vermutlich handelte es sich um Büroräume, aber es konnten auch Wohnungen sein. So oder so, ich musste vorsichtig sein, wo ich den Truck abstellte, und natürlich musste ich vorsichtig sein, wenn ich mich im Haus aufhielt.
Ich machte mir ein Sandwich mit Erdnussbutter und Oliven und spülte es mit einer Flasche Corona aus Rangers Vorrat hinunter. Danach schlurfte ich ins Schlafzimmer, legte den größten Teil meiner Kleidung ab, ging ins Badezimmer, putzte mir die Zähne und roch an Rangers Seife, dann kroch ich ins Bett.
Es war ein komischer Tag gewesen. Es war nicht mein erster komischer Tag, aber allmählich wurden die komischen Tage zum Normalzustand. An diesem spezifischen komischen Tag waren vor allem die stetig zunehmenden Anzeichen, dass ich persönlich in Gefahr schwebte, so nervenaufreibend gewesen. Ich hatte alles Mögliche versucht, um Ruhe zu bewahren, um meine Angst unter Kontrolle zu halten, doch jetzt drang sie immer stärker an die Oberfläche. Ich hatte in der Vergangenheit so einige beängstigende Situationen durchlebt, dieses Mal war es anders: Es war das erste Mal, dass an einen Menschen der Auftrag ergangen war, mich zu töten.
8
Ich schlug die Augen auf, und sofort packte mich panische Verwirrung. Das Zimmer war dunkel, es kam mir fremd vor. Die Bettwäsche war weich und roch nach Ranger. Dann rastete alles wieder ein, und ich sah klar. Ich war diejenige, die nach Ranger roch. Ich hatte mir vor dem Zubettgehen Hände und Gesicht mit seiner Seife gewaschen, und der Geruch war an mir haften geblieben.
Ich knipste die Nachttischlampe an und sah auf die Uhr, fast acht. Mein Tag hatte noch nicht einmal angefangen, und schon hatte ich mich verspätet. Es lag am Bett, entschied ich. Es war das beste Bett, in dem ich je geschlafen hatte. Und obwohl ich Angst hatte, dass Ranger jeden Moment zurückkehren konnte, fühlte ich mich in seiner Wohnung doch beschützt und sicher vor der bösen Welt. Rangers Wohnung strahlte Ruhe und Gelassenheit aus.
Ich stand auf und
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