Kutath die sterbende Sonne
werde fragen; aber ich kenne die Antwort des Kath.«
Das gefiel Melein. Sie senkte zustimmend den Kopf – betrachtete Hlil. Es war nicht unbedacht gewesen, daß sie sich vor dem Kel an das Kath gewandt hatte. Die anderen waren richtige Anth'ein, keine Stellvertreter, und sie waren sich ihrer eigenen Autorität bewußt. »Kel-Zweiter«, sagte sie, »verstehst du jetzt, was vor dir liegt? Mein eigener Kel'anth – wir kamen aus solch einem Kampf, er und ich: von Tsi'mri, von Schiffen und der Ableistung eines Dienstes. Es war eine lange Zeit für dieses Kel, nicht wahr? Beinahe einhunderttausend Jahre habt ihr im Dienst des Lebens gedient, beim Überleben der Winde, bei der Versorgung von Kath und Sen... und vielleicht – beim Warten. Hörst du mich, Kel Hlil? Tsi'mri fliegen über der Welt – und du führst das Kel, für den Moment; du bist meine Hand – und das Volk braucht sie. Ich bin vielleicht die letzte, Kel-Zweiter. Kannst du führen, wenn du mußt – sogar in eine Dunkelheit?«
Die Membranen zuckten rasch über seine Augen; die Kel-Zeichen traten auf seinem Gesicht hervor. Solchen Schmerz zeigte er ihr; ihr wandte er nicht die Ausdruckslosigkeit zu, die für Fremde bestimmt war.
»Ich bitte die She'pan, Kel Seras an meine Stelle zu setzen.«
»Er hat Erfahrung«, stimmte sie zu und fühlte Schmerz um diesen Mann, weil er einen derartigen Rückzug machte – aus Furcht, vielleicht. Sie begegnete seinem Blick und empfand ein merkwürdiges Gefühl, daß im Kern dieses Kel'en eine große Zähigkeit ruhte. »Nein«, sagte sie. »Ich frage dich: warum hat Kel'anth Merai s'Elil dich zum Kel-Zweiten gemacht?«
Hlil blickte auf seine Hände hinab, die so waren wie er: unschön. »Ich war sein Freund, She'pan, das ist alles.«
»Warum?« warf sie ihm zurück; und als er in offener Verwirrung den Blick hob: »Denkst du nicht, Kel Zweiter, daß es etwas mit dir selbst zu tun hatte?«
Das war ein Schuß ins Schwarze; sie erkannte es. Nach einem Moment senkte er den Kopf, hob ihn dann wieder. »Dann habe ich zu berichten«, sagte er mit ruhiger Stimme, »daß wir im Kel jemanden vermissen, daß Kel Ras... sich nicht im Lager aufhält. Sollen wir in dieser Sache etwas unternehmen, She'pan?«
Sie atmete langsam aus, betrachtete den Mann und erkannte seinen Schmerz. Seine Augen begegneten den ihren, vollkommen stetig und elend.
»Ich werde das Kel nicht auffordern, etwas zu tun«, sagte sie. »Du würdest hart urteilen, eben weil du es nicht möchtest. Ich bin mit einem unbotmäßigen Kel geschlagen; kann ich es mit Ungeduld heilen? Vielleicht sollte ich mir um Ras Sorgen machen. Aber ich mache mir mehr um die Sorgen, die bleiben. Laß sie gehen, wenn sie will, oder zurückkehren. Ich verbiete es nicht. Und was die aktuelle Sache angeht«, sagte sie, die Befehlsangelegenheiten gelassen umgehend und stattdessen Anthil anblickend, »so lassen wir nichts zurück, es sei denn nach dem Gutdünken des Kath. Ich dränge nicht. Einige der geringsten Kel'ein können Lasten tragen, und auch einige der geringeren Sen'ein. Regelt das innerhalb eurer Kasten. Teilt das Eigentum der Toten gemäß Verwandtschaft und Bedarf. Ich vertraue darauf, daß das Kel einen weiteren Marsch durchstehen kann?«
»Aye«, bestätigte Hlil ruhig und ernst. Sathas und Anthil nickten in schweigender Zustimmung.
»Dann bei Tagesanbruch«, sagte sie und entließ sie mit einem Wink. Sie erhoben sich und drückten ihr höflich die Hand. Nur Hlil hielt sie einen Augenblick länger, sah sie an, als wollte er sprechen – und tat es dann doch nicht.
Sie zogen sich zurück. Melein lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, berührte das Pan'en und starrte mit leerem Blick auf die Lampen vor sich.
Andere zu handhaben, ließ sie einen bitteren Geschmack im Mund empfinden, einen Geschmack nach Intel, ihrer eigenen She'pan, die es verstanden hatte, von ihren Kindern Besitz zu ergreifen und ihnen die Herzen aus der Brust zu reißen, die das eine zum Leben und das andere zum Sterben auswählen konnte – die in der Lage gewesen war, zu benutzen und Züge zu machen und Leben zu schwingen wie geschärften Stahl.
In gleicher Weise hatte sie Niun ausgeschickt und in kalter Erkenntnis der Notwendigkeit eine weitere Waffe ausgewählt für ihre Stunde.
Nur Ras... Sie versuchte bewußt, ihre Sehergabe zu nutzen, um herauszufinden, ob sie eine Gefahr darstellte oder nicht; und die Gabe ließ sie im Stich und zeigte ihr nur eine gewaltige Ausdruckslosigkeit rings um den
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