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Kutath die sterbende Sonne

Titel: Kutath die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J.Cherryh
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das tödliche Schweigen... klatschte mit scharfer und befehlender Heftigkeit in die Hände. »Hai! Fangt an!«
    »Bewegt euch!« rief Kel Seras aus und klatschte in die Hände, ein Echo ihres Befehls. Kath'ein riefen nach Kindern, und Sen'ein gesellten sich zu Kel'ein, um dem Kath bei der Verteilung der Sachen zu helfen, die sie mitgebracht hatten.
    Hlil stand reglos und beobachtete, wie die Augen der She'pan über die zwischen ihnen liegende Entfernung hinwegsahen. Hinter ihrem ruhigen Gesicht dachte sie einen Moment lang über ihn nach, über das, was sein bloßes Gesicht ihr zeigte, und wandte sich dann von ihm ab.
    * * *
    In dieser Nacht gab es Zelttuch über den Köpfen, Lampenschein, die Bequemlichkeit von auf dem Boden ausgebreiteten Matten anstelle des kalten Sandes und der Felsen, die zuvor ihr Bett gewesen waren; es gab genug zu essen und noch Wärme außer der Nähe von Körpern. Aber am wichtigsten von allem... die Pana. Melein behielt sie bei sich, nach einmaligem Öffnen, um sicherzustellen, daß die kostbaren Blätter darin intakt waren. Sie hatte ihren Stuhl, Gewänder für ihren Schoß, und draußen – erkennbar am Lachen – Fröhlichkeit im Lager nach all den zurückliegenden Kümmernissen.
    In bezug auf Niun lehnte sie es ab, der Furcht nachzugeben. Es hatte den Sturm gegeben, und die Wüste und Niuns Mission hielten sich nicht an Pläne. Er vermochte nicht weniger gut auf sich aufzupassen als die, die in diesem Land geboren worden waren. Davon überzeugte sie sich selbst.
    Sie saß da, thronte auf ihrem Stuhl, hatte das Pan'en neben sich, verschleierte sich wieder. Sie streckte die Hand aus und berührte immer und immer wieder diesen Gegenstand, der den ganzen langen Weg mit ihr gekommen war und die gesamte Reise derer zuvor enthielt. Sie hatte Angst... nicht um sich selbst, sofern es nicht eine in ihrem Stolz wurzelnde Angst war; sie war nicht willens zu versagen, wo Jahrtausende des Lebens auf ihren Schultern ruhten. Das war ein Bürde, die sie zum Wahnsinn treiben konnte, wenn sie es sich erlaubte, lange daran zu denken. Der Kel-Ausbildung verdankte sie die Gabe, an den Tag ebenso zu denken wie an die Zeitalter, um die die Gedanken des Sen kreisten. Es hieß, daß She'panei – die großen und wahren – aus unterbewußtem Vorauswissen handelten, daß die Macht des Geheimnisses durch ihre Finger strömte und die Entwürfe, die sie formten, unwiderstehlich waren – daß sie am Angelpunkt von Zeit und Raum saßen. Von solch einem Punkt aus ergossen sich die Ereignisse über einen und all die, die in der Nähe standen. Die Zeit glich nicht, wie Kel und Kath es wahrnahmen, den Perlen auf einer Schnur, Ereignis auf Ereignis, bis sie von der Dunkelheit geschieden wurden, die die Schnur durchtrennte. Es gab nur das Jetzt, das sich ausdehnte und alles Vergangene umschloß, das in Melein und dem Pan'en enthalten war, und alles Vergangene, das Kutath zu seinem jetzigen Augenblick geführt hatte; ebenso alles Zukünftige, dem Melein zustrebte.
    Sie war keine Einzelperson, sondern universal: sie sog das All ein und atmete es durch die Poren. Sie sah und sie leitete, und deshalb war es notwendig, nur wenig zu tun, denn vom Zentrum aus erstreckten sich die Fäden weithin. Das war es: dem eigenen Sehertum zu glauben. Es gab keinen Zorn, denn nichts konnte ihm zuwiderlaufen. Es gab keinen echten Stolz, denn es war allumfassend.
    Und zu anderen Zeiten wandte sie sich von diesen Visionen ab, verdächtigte ihre Geistesklarheit. Sie war Kath Melein, Kel Melein, Sen Melein, die sich mehr als alles andere ersehnte, die Bürde ablegen zu dürfen und nur die schwarzen Gewänder des Kel zu tragen... frei zu sein und Waffen zu tragen und nach allem zu schlagen, das ihre Ehre kränken sollte, und frei von Vergangenheit und Zukunft durch das Land zu wandern.
    Jahre hatte die Reise gedauert, und abgesehen von gelegentlichen Stunden war sie vollkommen allein gewesen, um das Pan'en zu studieren und darüber zu meditieren. Die eigenen Meditationen konnten sich ineinander verwickeln und an den Grenzen des Wahnsinns verlaufen.
    Glaubten die She'panei wahrhaftig diesem Schauen? Oder war es nur Vorspiegelung? Sie wußte es nicht; sie war She'pan geworden im Sterben des Volkes... die letzte, und völlig allein. Und ihre eigene She'pan hatte sie nicht vorbereitet... hatte selbst an der Grenze zum Wahnsinn gestanden.
    Wenn sie eine deutliche Angst hegte, dann diese: daß sie in ähnlicher Weise fehlerbehaftet war, ein Erbin des

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