Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
zu finden, deren Existenz er so zwingend auf rein logischer und theoretischer Basis nachgewiesen hatte. Meiner Meinung nach lag die Hauptschwierigkeit eines solchen Unterfangens jedoch in dem Umstand begründet, daß sich fast jede kosmische Rasse als die Krone der Entwicklung ansieht – durch bloßes Herumfragen würde ich folglich gar nichts erreichen. Auch die Trial-and-error-Methode erschien mir nicht eben vielversprechend, denn im Kosmos gibt es nach meinen Berechnungen annähernd vierzehn Zentrigigaheptatrillionen zum logischen Denken befähigte Zivilisationen, und angesichts solcher Zahlen kannst du dir leicht ausrechnen, daß es mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist, die richtige Adresse aufzuspüren. Folglich erwog ich das Problem nach allen Seiten, durchstöberte die Bibliotheken und ging methodisch sämtliche alten Wälzer durch, bis ich einen ganz wesentlichen Hinweis in den Werken eines gewissen Kadavrius Malignus fand, eines Gelehrten, der zu dem gleichen Schluß wie Klapostel gekommen war, allerdings gute dreihunderttausend Jahre früher, danach jedoch völlig in Vergessenheit geraten war. Was wieder einmal zeigt, daß es nichts Neues unter dieser oder jeder anderen Sonne gibt – Kadavrius hat sogar ein ähnlich trauriges Ende wie Chlorian genommen … Aber das tut hier nichts zur Sache. Aus diesen längst vergilbten und brüchig gewordenen Seiten erfuhr ich jedenfalls, auf welche Weise die MASTEN zu finden seien. Malignus legte dar, man müsse die Sternformationen auf ein unmögliches astrophysikalisches Phänomen hin untersuchen, habe man ein solches entdeckt, so sei man mit Sicherheit am richtigen Ort angelangt. Ein recht obskurer Hinweis ohne Frage, aber durfte ich mir klarere erhoffen? Also machte ich mein Raumschiff startklar und begab mich auf die Reise. Was ich dann alles erlebte, will ich mit Schweigen übergehen, ich möchte nur sagen, daß ich schließlich in einer Wolke von Sternen einen Stern erblickte, der sich von allen anderen dadurch unterschied, daß er die Form eines Würfels hatte. Welch ein Schock war das für mich! Schließlich weiß doch jedes Kind, daß Sterne ohne Ausnahme kugelförmig zu sein haben und daß von ihrer Eckigkeit, geschweige denn Viereckigkeit nicht im mindesten die Rede sein kann! Ich steuerte mein Raumschiff dicht an den Stern heran und erblickte bald auch seinen Planeten, der ebenfalls die Form eines Würfels aufwies und noch dazu an allen Ecken schießschartenbewehrte Festungstürme hatte. In etwas weiterer Entfernung kreiste ein anderer Planet von ganz normalem Aussehen, wie mir schien; ich richtete das Fernrohr auf ihn und erblickte Horden von Robotern, die aus Leibeskräften aufeinander einprügelten; ein Anblick, der mich wenig Lust verspüren ließ, dort zu landen. So tastete ich mich mit dem Fernrohr wieder an den rechteckigen Planeten heran und suchte ihn nochmals äußerst gründlich ab. Welch freudige Erregung durchzuckte mich, als ich durchs Okular schaute und an einer der festungsbewehrten Ecken des Planeten eine Inschrift entdeckte, die aus sechs reich verschnörkelten Buchstaben bestand: MASTEN.
– Großer Gauß! schrie ich. – Heureka!
Aber obwohl ich ihn wieder und wieder umkreiste, bis mir ganz schwindlig wurde, konnte ich nirgendwo auf der sandigen Oberfläche des Planeten auch nur eine Spur von Leben entdecken. Erst als ich mich auf eine Entfernung von nur sechs Meilen genähert hatte, konnte ich eine Ansammlung dunkler Punkte ausmachen, die sich unter dem Superteleskop als die Bewohner dieses höchst ungewöhnlichen Himmelskörpers erwiesen. Es waren einige hundert, die da im Sand herumlagen, und zwar so absolut regungslos, daß ich einen Moment lang dachte, sie wären vielleicht alle tot. Dann aber beobachtete ich, wie der eine oder andere sich von Zeit zu Zeit genüßlich kratzte, und dieses offensichtliche Zeichen von Leben bewog mich schließlich zur Landung. In meiner Begeisterung brachte ich nicht die Geduld auf zu warten, bis sich die beim Eintritt in die Atmosphäre des Planeten glühend heiß gewordene Rakete abgekühlt hatte, sondern sprang mit einem Satz hinaus und schrie: – Entschuldigung! Ist dies die MAximale STufe der ENtwicklung? Keine Antwort. Schlimmer noch, niemand von ihnen beachtete mich auch nur im mindesten. Verblüfft und fassungslos angesichts dieser nahezu ostentativen Gleichgültigkeit schaute ich mir die ganze Umgebung genauer an. Die Ebene erglänzte unter den Strahlen der quadratischen Sonne. Aus
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