Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
schütteren grauen Haaren tauchte aus den schummrigen Abgründen auf.
»Reb? Was willst du?«
»Die Princess braucht Klamotten.«
»Hat sie Kredit?«
»Dein Id!«, forderte Reb, und ich hielt das Armband an das Lesegerät.
»Zweitausend Mäuse.«
»Buch sie ab. Wir verrechnen dann.«
»Zehn Prozent Provision.«
»Fünf sind üblich, Pietje.«
»Die kann sich mehr leisten.«
»Kann sie nicht. Mach keinen Ärger, ja?«
»Acht.«
»Sechs.«
»Fünf«, sagte ich kühl. »Das gibt die Handelsspanne üblicherweise her. Prozente darüber hinaus können nur als unmoralisch betrachtet werden.«
Der Gnom starrte mich mit offenem Mund an.
»So lauten die Durchführungsverordnungen für Einzelhändler. Die sind Ihnen gewiss geläufig!«
Mir zumindest waren sie es, ich hatte meine Mutter oft genug darüber diskutieren gehört.
»Also fünf Prozent, Pietje. Du willst doch der Princess gegenüber nicht unmoralisch erscheinen.«
Der Gnom hustete und buchte den Betrag von dem Id ab.
»Was ist sonst noch drauf?«, wollte Reb wissen.
»Erlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs, Zugang zu einer Wohnung im Ostend, Schließfach in der Capital-Bank und – tja, jetzt nichts mehr. Ist tot.«
»Gut. Princess, was ist deine Größe?«
»Weiß nicht, warum?«
Reb grub aus einem Regal eine Hose aus derbem Stoff hervor und hielt sie mir an.
»Probier sie an.«
»Hier? Mitten im Laden?«
»Wo sonst, hm?«
Es blieben mir wohl nicht viele Alternativen. Immerhin war der Mantel weit und lang. Ich zog die seidene Hose der Heilungstracht aus und schlüpfte in die andere. Sie passte einigermaßen, fühlte sich allerdings kratzig und steif an. Aber vermutlich durfte ich jetzt nicht maulen.
»Geht so«, verkündete ich also.
»Behalt sie an.«
Ich bekam noch zwei Oberteile, eine Jacke, weiche Lederstiefel und ein Paar Laufschuhe. Unterwäsche durfte ich mir selbst aussuchen, als ich jedoch nach Kosmetika fragte, wurde mir beschieden, dass die in der nächsten Zeit keine Rolle für mich spielen würden. Dafür aber ein ziemlich großer Rucksack.
Reb wickelte den Kauf ab und hielt mir eine Brieftasche mit Scheinen und Münzen hin.
»Verlier das nicht.«
Ich sah die Mappe zweifelnd an.
Er steckte sie mir in die hintere Tasche meiner Hose.
»Und jetzt suchen wir mein Quartier auf. Erschrick nicht, freundlich werden sie mich nicht empfangen. Aber dir werden sie nichts tun.«
Bevor ich etwas sagen konnte, schob er mich aus dem Laden.
SUBCULTURA
E s war dunkel geworden, als wir wieder auf die Straße traten. Reb hatte den Rucksack mit meinen Kleidern geschultert und ging voran. Ich kam mir reichlich bescheuert vor, weil ich immer drei Schritte hinter ihm laufen musste, aber er tat so abweisend, dass ich mich nicht traute, neben ihm zu gehen. Wir näherten uns einer U-Bahn-Station, die nach der großen Frauenstatue auf dem blumenbewachsenen Rondell davor benannt worden war: Alice-Schwarzer-Platz. Es waren kaum noch Passanten unterwegs, niemand schenkte uns Aufmerksamkeit, als wir die Treppen nach unten liefen.
Schließlich machte ich ein paar größere Schritte, und als ich neben Reb angekommen war, fragte ich: »Wohin fahren wir?«
»Nirgendwohin. Hier ist die Endstation der Linie. Wir gehen.«
»Ja, aber … wohin?«
»In den Tunnel.«
Grausen packte mich.
»Das kann man doch nicht machen, es fahren doch noch Züge.«
»Nicht dort, wo wir hingehen. Es wird etwas holperig. Bleib dicht hinter mir.«
»Was heißt das?«
Ich ärgerte mich, dass meine Stimme gickste. Er sah mich herablassend an.
»Habe ich irgendetwas darüber gesagt, dass es einfach wird, NuYu zu verlassen?«
»Nein, aber … «
»Das hier ist noch eine der leichteren Übungen. Und nun sei still. Wir müssen warten, bis der Bahnsteig leer ist.«
Viele Leute warteten nicht auf den späten Zug, und als der einfuhr, stiegen auch nur wenige aus, die sofort zu den Treppen strebten. Die anderen verschwanden in den Waggons, und als die Bahn abfuhr, waren wir allein in der Station.
»Nach mir. Wir sollten nicht für die Überwachungskameras posieren«, sagte Reb, drückte sich an der Wand entlang und sprang kurz vor dem Tunnelende auf das Gleisbett. Immerhin streckte er mir die Hand entgegen, als ich ebenfalls sprang.
»Immer auf die Schwellen treten«, riet er mir und setzte sich in Bewegung.
Eine geschwärzte Mauer verschloss den Tunnel wenige Meter weiter, aber Reb schob eine ebenso schwarze Stahltür auf.
»Stillgelegte Strecke«, erklärte er. »Wird
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