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Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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eine breite Matratze auf dem nackten Boden, ein paar Decken zerwühlt in der Ecke, ein klumpiges Polster dazwischen. Über den Rand der Pappwand baumelte eine nackte Glühbirne an einem Kabel, neben ihr tickte eine altmodische Uhr mit Ziffernblatt und Zeigern. An ihr konnte ich ablesen, dass es kurz vor Mitternacht war. Ein Stapel zerfledderter Papierbücher – die gab es hier tatsächlich noch, sie mussten uralt sein – , eine halb leere und eine volle Flasche mit einer klaren Flüssigkeit standen daneben. An den Betonpfeilern waren Haken angebracht, an denen Kleidungsstücke hingen. Mitten in dieser Unordnung lag der Rucksack mit meinen neuen Kleidern.
    »Ihr werdet euch schon arrangieren«, meinte Ria. »Gute Nacht. Wenn du willst, komm morgen früh in die Kantine. Lennie macht Haferbrei.«
    Ich schälte mich aus meinen Kleidern und zog wieder die Sachen aus dem Heilungshaus an. Wie angenehm sich die weiche Seide auf der Haut anfühlte. Dann zerrte ich die Bürste aus dem Rucksack, das einzige Zugeständnis an meine Eitelkeit, und entflocht meine Haare, um sie auszubürsten. Ich war mit dieser langwierigen Prozedur gerade fertig, als Reb durch den Vorhang stolperte. Er ließ sich langsam auf der Matratze nieder, streckte sich mit einem Stöhnen aus und schloss die Augen.
    Im spärlichen Licht der Lampe sah er entsetzlich aus.
    Seine Lippe war wieder aufgeplatzt, sein Kiefer wurde schon blau, ein Blutrinnsal lief von seiner Augenbraue herab. Und vermutlich hatte er auch ansonsten überall Prellungen.
    Es tat mir körperlich weh, ihn so zu sehen.
    Ich wühlte meinen Waschlappen aus dem Beutel, in den ich ihn gesteckt hatte, und wischte ihm das Blut aus dem Gesicht.
    Er stöhnte wieder leise, wehrte sich aber nicht.
    Er wehrte sich auch nicht dagegen, als ich ihm die Stiefel auszog und das Polster unter seinen Kopf schob. Er wehrte sich erst, als ich ihm eine Tablette zwischen die Lippen schieben wollte.
    »Was ist das?«
    »Ein Schmerzmittel. Hab ich aus meinem Krankenzimmer mitgenommen.«
    »Brauchst du selbst.«
    »Brauchst du eher. Was ist in der Flasche hier?«
    »Wasser.«
    »Zum Trinken?«
    »Mhm.«
    Ich hielt ihm die geöffnete Flasche hin.
    »Nimm die Tablette.«
    »Brauch ich nicht.«
    »Ach nein?«
    »Ist schon okay.«
    »Nimm das Ding. Ich bin müde und will nicht die ganze Nacht von deinem Gestöhne wachgehalten werden.«
    Er blinzelte mich an, und sein Mundwinkel zuckte nach oben.
    »Nun jaaa … «
    »Reb, spar dir deine anzüglichen Gedanken.«
    Der Mundwinkel zuckte noch mal. »Anzüglich! Mann!«
    »Tablette, oder du lernst, was Schmerzen wirklich sind!«, fauchte ich ihn an.
    »Ja, das trau ich dir zu, Princess. Gib her.«
    Er spülte die Tablette mit einem Schluck runter und rückte dann vorsichtig und langsam zur Seite.
    »Leg dich zu mir, der Platz reicht für zwei.«
    »Vergiss es, so vertraut sind wir nicht miteinander.«
    »Wie du meinst.« Er schloss die Augen wieder, und ich legte eine der Decken über ihn. Aus den beiden anderen, dem Rucksack und dem Ledermantel machte ich mir ein ungemütliches Lager auf dem Boden. Die Erschöpfung ließ mich sofort in einen unruhigen Schlaf fallen. Doch lange hielt er nicht an. Die Zeiger der alten Uhr standen auf halb sechs, als ich wieder aufwachte.
    Es war unruhig in diesem Quartier, ungewohnt waren die Geräusche, nicht alle konnte ich identifizieren. Manche waren wohl menschlichen Ursprungs. Sozusagen peinlich menschlich, andere schienen aus dem Gebäude selbst zu stammen, und manches Geraschel beschwor in mir Bilder von huschenden, nagenden Ratten herauf.
    Ich setzte mich auf und sah zu Reb hinüber. Er lag auf dem Rücken, die Arme über der Brust gekreuzt, kaum hörbar atmend.
    Ein seltsamer Kerl. Was mochte ihn in die Subcults verschlagen haben? Er benahm sich rüpelhaft, aber hin und wieder blitzte so etwas wie Gewandtheit hervor. Seine Sprache war ungehobelt, und trotzdem – manchmal drückte er sich gewählt aus.
    Außerdem war er abwechselnd stur, abweisend, beleidigend und sagenhaft witzig.
    Ich betrachtete sein geschundenes Gesicht.
    Mutig war er wahrscheinlich auch.
    Irgendwo schrie jemand. Ich zuckte zusammen.
    Warum kümmerte mich Reb eigentlich?
    Und – warum saß ich eigentlich hier in dieser Welt aus Trümmern und Dreck? Zwischen unzivilisierten Männern, denen es nichts ausmachte, Gewalt anzuwenden? Was hatte mich nur auf die irrwitzige Idee gebracht, das Heilungshaus – nein, meine ganze vertraute Welt – zu verlassen?
    Meine

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