Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
selten kontrolliert. Hin und wieder mauern sie die Durchgänge zu, und wir reißen sie anschließend wieder ein.«
    Das also meinte er damit, unter der Begrenzungsmauer die Außenbezirke zu betreten. Wir machten uns auf den Weg. Ich stapfte mühselig hinter Reb her, aber nach einer Weile fand ich den richtigen Rhythmus, passte meine Schritte den Schwellen an. Es war fast vollkommen finster hier unten, nur hier und da drang durch Lichtschächte an der Decke der schwache Schein von Straßenlaternen in den Tunnel. Die Luft stank nach Metall, Treibstoff und Kloake. Dann nur noch nach Kloake und Fäulnis.
    Etwas Pelziges huschte mit einem Quieken über meine Füße.
    Ich schrie.
    Ratten! Große Mutter, Ratten. Widerliche, verseuchte Ratten.
    »Komm weiter.«
    Aber ich konnte meine Füße einfach nicht mehr heben. Schon wieder wuselte so ein Tier vor mir her. Und je mehr ich darauf achtete, desto mehr erkannte ich, dass es von Ratten nur so wimmelte.
    »Ich kann nicht«, stöhnte ich entsetzt.
    »Das Lied kenn ich schon. Entweder du kannst, oder du gehst allein zurück.«
    Übelkeit und Schwindel packten mich wieder.
    Nur nicht hinfallen. Um Himmels willen hier nicht umkippen. Sie würden über mich herfallen, mit ihren Klauen und Zähnen an mir reißen, mich mit ihrem Schmutz besudeln.
    »Princess, hierbleiben oder weitergehen?«
    Ich musste auf den Beinen bleiben, musste gehen. Er war gnadenlos. Wenn ich mich nicht bewegte, würde er mich diesen Untieren ausliefern.
    Mühsam setzte ich Fuß vor Fuß.
    Eine gefühlte Ewigkeit lang.
    Dann sah ich plötzlich das buchstäbliche Licht am Ende des Tunnels.
    »Sind wir da?«
    »Ja, gleich.«
    Das Licht gab mir die Kraft, mich weiterzuschleppen.
    Eine verlassene Station, von einigen trüben Lampen schwach erleuchtet, tat sich vor mir auf. Unsere Schritte hallten auf dem verschmutzten Betonboden, die ehemals farbigen Fliesen waren fast überall von den Wänden gefallen, seltsame, kränklich aussehende Pflanzen krochen aus Spalten und Ritzen. Die Treppe, die nach oben führte, war jedoch einigermaßen instand gehalten. Vermutlich, weil sie häufig benutzt wurde. Ich war froh, die kühle Nachtluft in die Nase zu bekommen, und verschnaufte einen Augenblick. Meine Beine fühlten sich lahm und müde an. So lange Strecken hatte ich noch nie in meinem Leben zu Fuß zurückgelegt.
    »Ist es noch weit?«
    »Nein, nicht mehr.«
    Reb wirkte unwirsch und verschlossen. Er ließ mich deutlich spüren, dass ich inzwischen eine Last für ihn war. Aber was sollte ich tun? Zurück konnte ich jetzt nicht mehr. Also trottete ich wieder hinter ihm her. Im spärlichen Licht der Nacht – die Wolkendecke über uns reflektierte die Beleuchtung der Innenstadt – lag hügeliges Brachland vor uns. Wildes Gesträuch säumte den Trampelpfad, stachelige, niedrige Gewächse überwucherten an manchen Stellen alte Mauerreste. Nach wenigen Minuten erreichten wir eine Betonrampe, die nach unten führte.
    »Noch ein Tunnel?«, fragte ich schaudernd.
    »Nein, ein Keller. Unser Quartier.«
    Barmherzige Mutter, was denn noch? Wieder stieg meine Angst vor Ratten, Kakerlaken, stinkende Fäkalien und Moder in mir hoch. Ein schwarzer Schlund tat sich vor mir auf, der mich verschlingen würde.
    Was hatte ich nur getan?
    Doch die Pforte der Dunkelheit war plötzlich von einem Strahler erleuchtet, ein Rolltor hob sich scheppernd. Gleich darauf standen wir in einer riesigen Halle, die in regelmäßigen Abständen von Betonsäulen abgestützt war. Zwischen diesen Säulen waren aus allerlei Materialien Zwischenwände gezogen worden. Ein grauer Vorhang bewegte sich, zwei Gestalten traten auf uns zu. Männer, nicht viel älter als Reb.
    »Ach, unser Muttersöhnchen ist heimgekehrt«, höhnte einer, der andere stieß einen schrillen Pfiff aus. Auch allen Ecken und Winkeln erschienen nun Menschen. Dunkel gekleidet, in Lumpen, schmuddelig.
    Und bedrohlich.
    Reb hob die Hand. »Ich habe einen Flüchtling dabei. Versorgt sie.«
    Jemand kam näher. Eine ältere Frau. Grauhaarig, faltiges Gesicht. Als sie den Mund öffnete, bemerkte ich, dass ihr ein Schneidezahn fehlte.
    Ekel überkam mich.
    »Wie heißt du?«, fragte sie. Ihre Stimme klang heiser, aber sanft.
    »Ky … «
    »Princess.«
    »So heißen deine Mädchen immer«, meinte die Alte.
    »Sie heißt besser so.«
    »Na gut. Hat Mama dir geholfen, Reb?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin wieder hier.«
    »Und wann dürfen wir den Besuch von Mama erwarten?«, giftete ein

Weitere Kostenlose Bücher