Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Cabra auswendig.
Bald darauf liefen wir in den Bahnhof von Colonia ein. Der alte Dom, dessen sandfarbene Mauern in der Abendsonne schimmerten, ragte mit seinen beiden Türmen hoch neben dem Bahnhof auf. Er war eines der weltbekannten Baudenkmäler der Vergangenheit, das gepflegt und erhalten wurde. Früher einmal war er Hort der Männerreligion gewesen, die einen Vatergott und seinen geschundenen Sohn verehrt hatte. Heute diente er als Ort der Besinnung und Freude, an hohen Feiertagen auch als Zeremonienhalle der Matronae. Ich hoffte, wir würden morgen Zeit finden, das Innere zu besichtigen. Es sollte spektakulär sein, hieß es.
Eine grauhaarige Frau, ihren fließenden Gewändern zufolge eine Electi, kam zielstrebig auf uns zu.
»Reb Ridder, Princess La Cabra?«
»Ja, Senora.«
»Ich bin Elli. Ich bringe euch zu eurer Unterkunft.«
»Danke, Senora Elli.«
Sie brachte uns zu einem kleinen Hotel in der Almut-Allee, nicht weit von dem Treffpunkt der Reisegruppe entfernt.
Es war beruhigend, wieder ein Id zu besitzen. Das Leben war so viel einfacher, wenn man sich ausweisen, einkaufen und bezahlen konnte. Reb ging zu meiner gelinden Überraschung auch völlig selbstverständlich mit dem Id um. Er muss also schon mal eines besessen haben. Gut, Cam hatte gesagt, er sei oft gereist. Aber ich fragte mich – gerade jetzt zum ersten Mal – , woher er wohl stammte. War er ein Ausgestoßener von Geburt an? Wenn sein Vater schon zu der Gruppe an der Arena gehört hatte, war das nicht ausgeschlossen. Fragte sich nur, wer seine Mutter war.
Die er nicht leiden konnte.
Und über die er bestimmt nicht freiwillig mit mir sprechen würde.
Warum interessierte mich das eigentlich?
Weil, so erhob sich ein neues, piepsiges Stimmchen in mir, du nicht sterben musst und darum wieder neugierig wirst.
Das Stimmchen hatte recht.
Nun, wir hatten einige Tage vor uns, in denen wir eng zusammenbleiben mussten. Mal sehen, was sich ergab.
Zumindest wollte es so scheinen, als ob der Abend zwischen uns friedlich verlaufen würde. Nach dem Essen gingen wir in unser Zimmer und fragten uns unsere Biografien ab. Danach kam ich noch mal auf die Nachrichten zu sprechen.
»Ja, Princess, sie halten den Mund. Darauf kann man sich bei den meisten Subcults verlassen.«
»Wie sind die Ermittler überhaupt auf diese Gruppe gekommen?«
»Ich habe sie verraten, das weißt du doch.«
»Hast du nicht!«
»Doch, Princess. Ich habe um – mhm – Hilfe gerufen. Weshalb ich ins Heilungshaus kam. Und da haben sie natürlich meine Daten ermittelt. Du hast ihnen meinen Namen genannt, sie haben meine DNA, sie wussten, wo man mich aufgelesen hat – und damit ist es leicht für sie, meinen Aufenthaltsort herauszufinden.«
Er hatte recht, so hatte man ihn aufgespürt, und so hatte man wohl auch rekonstruiert, dass wir zusammen verschwunden waren. Und da man den Subcults per se Übles unterstellte, hatten sie auch gleich eine Entführung daraus gemacht.
»Was passiert mit deinen Leuten?«
»Cam und die Wardens werden sich um sie kümmern. Wenn sie es zulassen.«
»Ich bin froh, dass sie mich nicht verraten haben«, murmelte ich. »Ich wünschte, ich könnte mich irgendwie bedanken.«
»Merk es dir einfach.«
»Wie bist du zu ihnen gekommen, Reb?«
Die Frage entflutschte mir, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte.
»Zu Fuß, wie alle anderen auch.«
»Die Antwort hab ich wohl verdient. Entschuldigung. Ich geh jetzt ins Bett.«
Reb stand auf und wühlte in unserem Rucksack.
»Morgen müssen wir noch einkaufen. Schreib auf, was du brauchst.«
Damit verschwand er im Badezimmer.
Ich durchwühlte ebenfalls die paar Sachen, die wir besaßen. Mit so wenigen Kleidern würde wohl niemand in Urlaub fahren. Ich kritzelte ein paar Notizen auf einen Zettel.
Als Reb aus dem Bad kam, nahm ich das zweite Hemd als Nachtgewand an mich, um mich bettfertig zu machen.
Die beiden Betten in dem Zimmer standen getrennt. Als ich zurückkam, hatte sich Reb wieder in seine Decke gerollt und die Arme über der Brust gekreuzt. Inzwischen wusste ich, dass er die ganze Nacht so schlief, ohne sich zu rühren. Ich machte alle Lampen bis auf das kleine Nachtlicht auf seiner Seite aus und kroch unter meine Decke. Aber nachdem ich mich zweimal um mich selbst gedreht hatte, stand ich noch einmal auf.
Er schlief.
Ich war mir diesmal sicher. Er schlief, vielleicht nicht tief und fest, vielleicht trotz allem noch immer wachsam. Die Spuren der Schläge waren aus seinem Gesicht
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