Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Wellenfall – , modisch gestylt, was auch für ihre farbenprächtige Kleidung galt. Civitates, wohlbeleibt und gepflegt.
»Wir haben Haarglanz und Lockencreme für dich vergessen«, konnte ich mich nicht zurückhalten, Reb zuzuflüstern. »Ich werde beim nächsten Halt sofort dafür sorgen.«
Er schaute auf, bemerkte, was ich gesehen hatte, und sein Mundwinkel zuckte. »Wehe!«
»Camouflage! Ich musste meine Haare auch opfern.«
Er klopfte auf sein gefüttertes Wams. »Ich hab schon meine Figur geopfert. Das reicht.«
Ich gluckste leise. Ja, sein magerer Kadaver war alles andere als modisch gerundet. Aber um nicht weiter aufzufallen, senkte ich den Kopf wieder und sah auf mein Lesepad. Allerdings fesselte mich der Text nach wie vor nicht.
Reb hatte nicht viel über seinen Vater Alvar gesagt, außer dass er zu den Wagenlenkern gehört hatte. Mich hatten diese Männer und ihr martialischer Sport nie sonderlich interessiert, aber nun wollte ich doch mehr über sie erfahren.
Es gab recht viele Informationen, wie ich feststellen konnte. Seitenlange Artikel widmeten sich den einzelnen Fahrern. Sie kamen zu gleichen Teilen aus der Civitas und den Electi, wobei Letztere ihre eigenen Ställe unterhielten, die Civitates hingegen meist von großen Unternehmen gesponsert wurden. Es gab Rennbahnen in allen größeren Städten, wobei die in La Capitale die berühmteste war. In den einzelnen Regionalstaaten wurden Wettkämpfe ausgetragen, deren Sieger wiederum alle zwei Jahre zum Großen Preis in der Hauptstadt antraten.
Die Bilder der Rennen waren beeindruckend in ihrer Gewalttätigkeit. Eine Abbildung zeigte den zweirädrigen, von vier Pferden gezogenen Wagen, auf dem der Lenker stand. Die Führungsleinen wurden nicht in der Hand gehalten, sondern um die bloßen Arme geschlungen, und mir wurde klar, dass eine gewaltige Kraft notwendig war, die rasenden Tiere zu bändigen. Weshalb sich die Wagenlenker deutlich von den normalen Männern unterschieden. Sie waren samt und sonders groß, breitschultrig, ihre Kleidung betonte die mächtigen Muskeln der Arme und Beine. Beim Rennen trugen sie eng anliegende Hosen aus Leder, hohe Stiefel und ärmellose Wämser, Armstulpen, die vom Handgelenk bis zum Ellbogen reichten – das alles in den Farben ihrer Wagen. Diese Farben, ebenso wie die Embleme, hatten sicher etwas zu bedeuten. Das Emblem des Wagens wiederholte sich auf dem Wams des Fahrers, und wenn sie in ihren Zeremonialgewändern auftraten, auch darauf. Dieses Gewand glich dem, das wir Electi anzulegen pflegten, wenn wir bei offiziellen Auftritten zugegen waren. Ich hatte meine Robe mit sechzehn erhalten, in der Familienfarbe meiner Mutter – elfenbeinweiß, mit dem eingewebten Namenswappen auf dem breiten Revers. Wie stolz war ich damals gewesen, das bodenlange, mantelartige Seidengewand mit seinen weiten Ärmeln anlegen zu dürfen. Die weiße Narzisse – Jonquilla, unser Familienname und Wappen – war nur zu erkennen, wenn man sehr genau hinsah.
Die Roben der Wagenlenker dagegen waren ärmellos, stattdessen trugen sie kurze Lederstulpen an den Handgelenken und schnürten sich schwarze Lederstreifen um die Oberarme, wohl ein Hinweis auf die Führungsleinen der Pferde. Irgendwie wirkte dieser Aufzug bedrohlich, aber auch – mhm – sexy?
Diese Männer waren beliebt bei den Frauen, ohne Zweifel.
Und bei jungen Männern ebenfalls.
Aber nur sehr wenigen stand die Laufbahn in der Arena offen. Sie war natürlich mit Risiken verbunden. Es kam häufig zu gefährlichen, oft sogar tödlichen Unfällen, selbst beim Training.
Wusste ich’s doch, dass diesen großen, harthufigen Pferden nicht zu trauen war.
Eine Weile noch beschäftigte ich mich mit den verschiedenen Arten der Rennen, den verwirrenden Bedeutungen von Emblemen und Farben, bist Reb mich anstupste.
Senora Louise wünschte uns über den Reiseablauf zu informieren.
Übernachten würden wir heute in Amiens, morgen dann weiterfahren bis Avranches, wo wir die Grenze zum Reservat überschreiten würden. Etliche Verhaltensregeln wurden uns an die Hand gegeben, da wir uns in unzivilisiertes Gebiet begaben. Aus Sicherheitsgründen war es strengstens verboten, die Reisegruppe zu verlassen. Für den Nachmittag war eine Besichtigung des Mont Saint-Michel vorgesehen. Übernachtung in Saint-Malo. Weiterfahrt ins Landesinnere zum Wald von Brocéliande am Folgetag, zwei Übernachtungen dort. Anschließend Besuch der Hafenstadt Concarneau, zwei Tage Aufenthalt, Weiterfahrt nach
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