Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Morlaix, ebenfalls zwei Tage Aufenthalt, zurück entlang der malerischen Küste bis zur Grenze, und eine letzte Übernachtung wieder in Amiens. Nach zehn Tagen würden wir wieder zu Hause sein.
»Wir könnten … «
»Still«, sagte Reb.
Ich hielt den Mund. Er hatte recht. Aber die Aussicht, meinem Ziel ganz nah zu sein, weckte Aufregung in mir. Ich bemühte mich, ihrer Herr zu werden. Mit mäßigem Erfolg.
Nach gut vier Stunden Fahrt hatten wir Amiens erreicht und wurden wie eine Schar Gänse in das Hotel getrieben. Eine Stunde Ausruhen war uns gestattet, dann waren das Essen anberaumt und anschließend eine gemeinsame Stadtbesichtigung.
Wir ließen es über uns ergehen.
Als wir am Abend in unser Zimmer kamen, warf ich mich mit einem Seufzer auf mein Bett.
»Das ist ja grässlich! Und solche Touren machen die Leute freiwillig?«
»Sie zahlen sogar viel Geld dafür.«
Auch Reb hatte sich auf seinem Bett ausgestreckt.
»Wann werden wir diese Truppe verlassen?«
»In Concarneau oder Morlaix. Das hängt von den Umständen ab.«
Ich hatte mir die Landkarte auf meinem Pad angesehen und mir auch schon Gedanken gemacht.
»Von Saint-Malo ist es nicht weit bis zum Cap Fréhel.«
»Aber weit bis nach Brest. Und dahin muss ich zuerst.«
»Aber ich nicht.«
»Princess, du kommst mit mir. Es geht nicht, dass einer von uns allein abhaut.«
»Dann hauen wir eben beide ab. Du kannst bestimmt auch von Fréhel aus nach Brest reisen.«
»Ich lasse dich nicht allein. Die Gefahr, dass Senora Louise dich bei deiner Freundin aufstöbert, ist zu groß.«
»Die Gefahr, dass sie uns beide in Brest aufstöbern, ist genauso groß.«
»Mich erwischen sie nicht.«
»Eingebildet bist du gar nicht.«
»Nein, Princess. Ich weiß einfach, was zu tun ist.«
»Und ich bin nur ein blödes Anhängsel.«
»Bitte schön, wenn du dich so siehst.«
Er brachte mich schon wieder in Wut.
»Es ist doch unsinnig, so lange mit dieser affigen Truppe herumzureisen.«
»Es ist noch viel unsinniger, sie überstürzt zu verlassen. Ich muss erst einmal im Reservat sein, um die Möglichkeiten zu prüfen, und ich muss die Leute beobachten, um zu sehen, wer uns gefährlich und wer uns vielleicht von Nutzen sein kann. Und vor allem muss ich die Gepflogenheiten in den Lodges erkunden, um einen Fluchtweg auszuarbeiten.«
Er erklärte mir dies mit einer solch ruhigen Nachsicht, dass meine Wut nur noch größer wurde. Aber ein überzeugendes Gegenargument wollte mir nicht einfallen. Also schmollte ich.
Und er lachte plötzlich.
»Hey, du siehst niedlich aus, wenn du so grollst.«
Ich nahm mein Kopfkissen und warf es nach ihm.
Half aber auch nichts. Er warf es einfach zurück.
»Hör auf rumzuwüten, Princess. Cam hat es dir gesagt – du musst mir gehorchen. Auch wenn es dir schwerfällt. So, und jetzt Frieden!«
Ich nahm das Kissen und drückte es an mich.
Doofe Gefühle beutelten mich.
Ich hätte gerne mit ihm gerauft.
Besser nicht.
Aber Frieden war nicht möglich, allenfalls Waffenstillstand.
»Erzähl mir von deiner Freundin Hazel. Alles, was du weißt«, forderte Reb mich auf. »Jede Einzelheit kann hilfreich sein, und wir wissen nicht, wie oft wir noch ungestört sein können.«
Mit dem Kissen im Arm lehnte ich mich an die Wand und schloss die Augen, um mich zu konzentrieren. Dann erzählte ich.
»Hazel ist zwei Jahre älter als ich. Vor drei Jahren gab es auf dem Hof, auf dem sie lebt, ein Feuer, bei dem sie schwere Brandwunden erlitt. Sie wurde zwar behandelt, aber die medizinische Technik in den Reservaten ist nicht sehr fortschrittlich. Ihre Großmutter hat Beziehungen zu Leuten in der Capitale, und so wurde sie ausgeflogen.«
»Interessante Großmutter. Was weißt du von ihr?«
»Sie ist aus NuYu geflohen und wohnt schon seit fast sechzig Jahren im Reservat. Dort hat sie einen Gutsbesitzer getroffen, mit dem sie ihr Leben lang zusammen war. Ihr Mann starb vor einigen Jahren. Sie hat – mhm – vier oder fünf Kinder. Alle leben auf dem Gutshof oder in der Nachbarschaft.«
»Kannst du mir Namen nennen?«
»Lass mich überlegen. Hazels Großmutter heißt Willow, das ist sicher. Hazels Mutter … ihre Mutter heißt Jenevra. Sie ist die Heilerin in der Familie. Ihr Vater heißt, glaube ich, Gort. Aber mehr weiß ich nicht.«
»Und alle sind Landwirte?«
»Nein, das Gut wird von Hazels Vater geführt, die anderen helfen nur manchmal mit. Einer ihrer Onkel ist Mechaniker, eine Tante ist Töpferin, und Hazel selbst wollte
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