Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
mit einem Handtuch todesmutig ans Fenster pirschte.
Junor Berti erbleichte, machte auf dem Absatz kehrt und rief den Lodge-Master.
Der erlöste uns von dem Übel, entschuldigte sich ein Dutzend Mal, und ich legte, wenn auch mit zitternden Fingern, das Id wieder an.
»Der arme Berti hatte ja richtig Angst vor der Spinne«, sagte ich.
»So sind die harten Männer der Electi eben.«
Verachtung troff aus jedem Wort, und inzwischen musste ich Reb zustimmen. Die Tage bei den Subcults, bei Cam und nun mit der Reisegesellschaft hatten mir ein neues Verständnis für männliche Tugenden beschert. Da waren zum Beispiel die kleinen Söhne der einen Familie – sechs und sieben – , die von Senora Louise unablässig ermahnt wurden, genauso wie ihre Eltern, deren Erziehungsgrundsätze ständig bemängelt wurden. Ich fand die beiden Rabauken herzerfrischend. Sie lärmten herum, kabbelten sich, mussten sich ständig beweisen, wer schneller, lauter, geschickter, mutiger war. Sie hatten gleich am zweiten Tag einem Mädchen einen lebenden Frosch ins Bett geschmuggelt, was zu einem höllischen Aufruhr geführt hatte, dann einen Hofhund mit Pinienzapfen beworfen und waren von ihm durch ein Artischockenfeld gehetzt worden, waren auf einen Kirschbaum geklettert, hatten sich mit den Früchten den Magen verdorben und sahen anschließend aus, als hätten sie ein Blutbad angerichtet. Und Reb hatte immer wenn uns etwas freie Zeit zustand, mit ihnen herumgetobt. Was ihm ebenfalls Rügen eintrug.
»Die sind in Ordnung, Princess. So müssen kleine Jungs sein. Schau dir die beiden anderen Hänflinge an, die still bei Mama sitzen, sich mit ihren Knüpfarbeiten beschäftigen und nie einen Pieps sagen.«
»Ja, aber sie werden es im Leben leichter haben.«
»Und, ist das gut für sie?«
Ich wusste es nicht mehr. Wahrscheinlich hatten Rabauken weit mehr Spaß im Leben als brave Jungs. Aber sie würden auch mehr leiden müssen.
Manche zerbrachen an ihrem Leid. Reb schien daran gewachsen zu sein.
Meine Überlegungen wurden unterbrochen, als Reb wieder die Landkarte auf dem Tisch ausbreitete.
»Schau, so groß ist etwa der Radius, in dem sie uns über die Ids überwachen können.« Er hatte um die Lodge am Rand von Concarneau einen Kreis gezogen. »Übermorgen wird uns abends eine Folkloregruppe unterhalten, die im Park irgendwelche Tänze aufführt. Das ist unsere Chance.«
Wir sprachen noch über ein paar Details und mögliche Gefahren, dann mussten wir uns erneut der Gruppe anschließen.
Ich war aufgeregt, als wir in der Lodge in Concarneau ankamen, aber es gelang mir tatsächlich mit penetranter Nörgelei, ein Zimmer mit einer Terrasse zu ergattern. Die bösen Blicke der beiden ondulierten Jungmänner, die darauf spekuliert hatten, konnte ich ertragen. Reb und ich erkundeten so unauffällig wie möglich das Terrain, und als er mir am zweiten Tag nach dem Mittagessen ein Zeichen gab, begann ich mit den Vorbereitungen. Wichtig war es vor allem, das Gepäck unbemerkt aus der Lodge zu bringen. Ich verstaute alles sorgfältig und wartete auf Rebs nächste Anweisung.
In dem sehr schönen Park der Lodge mit alten Bäumen, blühenden Hortensienhecken und sorgfältig gestalteten Beeten lag ein kleiner Weiher. Ein alter Waschplatz, wie man uns gesagt hatte. Ein gemauertes Becken, dessen Steine inzwischen Moos angesetzt hatten, war davon noch erhalten geblieben. Ein Ort, wie Reb meinte, der Abenteuer suchende Jungs wie magisch anzog. Ich machte es mir auf der Terrasse gemütlich und gab vor, eines der komischen Wörterrätsel zu lösen, die im Gemeinschaftsraum auslagen, beobachtete aber, wie Reb wieder einmal mit den Rabauken herumtollte. Dann ließ er sich von der Senora ermahnen und trottete mit hängenden Schultern zu einer Liege im Schatten eines Baumes. Meine Anspannung stieg. Er hatte etwas unternommen – improvisiert, wie ich annahm. Die kleinen gemaßregelten Abenteurer zockelten daraufhin mit einem Ball unter dem Arm los, um die beiden Bravlinge zum Spielen aufzufordern. Die Eltern der Kinder saßen unter einem Sonnenschirm zusammen und unterhielten sich, ohne ihnen große Aufmerksamkeit zu schenken.
Reb stand auf, schlenderte am Weiher vorbei und kam dann zu mir.
Ich stand auf und ging ins Zimmer. Er folgte mir.
»Gleich geht’s los!«, sagte er leise und löste das Armband mit seinem Id. Ich legte den Daumen auf die Stelle, wo sich der Chip befand, legte es mir an und zog den Ärmel meiner Bluse darüber. Wer immer uns
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