Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Junora Kyria«, sagte Alvar und streckte auch mir die Hände entgegen. »Seien Sie willkommen.«
Und damit wurde auch ich in eine gewaltige Umarmung gezogen.
Noch nie war ich an einen solch männlichen Körper gedrückt worden, noch nie hatte ich so harte Muskeln gespürt, noch nie eine so kratzige Wange an der meinen gefühlt.
Dann schob Alvar mich ein Stückchen von sich und sah mir ins Gesicht. Er lächelte mich mit einer solchen Wärme an, dass ich zwinkern musste, damit sich meine Augen nicht mit Tränen füllten. »Willkommen, mein Kind.«
»Danke, Monsieur Alvar.«
Er ließ mich los und sah wieder Reb an.
»Kommt, genug der Rührung. Mein Haus ist euer Haus.«
Es war ein großes, geräumiges Gebäude mit einer eigentümlich altmodischen Einrichtung. Dunkle Holzmöbel, ein Fliesenboden mit Teppichen, ein gemauerter Kamin und gemütliche Sessel. Ich war kühle, gerade Linien gewöhnt, Glas, Metall, Marmor.
Auch Reb sah sich um, schwieg, hatte eine Maske aufgesetzt. Aber ich war mir sicher, dass seine Gleichmütigkeit erschüttert war. Alvar stellte uns seine Haushälterin Nora vor, eine energische Frau von knochiger Gestalt, die uns die Treppe hinaufbat und jedem von uns ein Zimmer zuwies. Meines lag sogar noch eine Etage höher und war – ich fasste es kaum – rund.
»Sie haben aus dem Turmfenster einen schönen Blick über den Strand, Mademoiselle«, sagte Nora. »Dafür müssen Sie es in Kauf nehmen, dass das Bad eine Treppe tiefer liegt.«
Ich nickte, es war mir egal, denn mitten im Raum – ich traute meinen Augen nicht – stand sage und schreibe ein Himmelbett mit bordeauxroten Vorhängen.
Als ich meine wenigen Habseligkeiten in eine Truhe geräumt hatte, stieg ich wieder in die unteren Gefilde hinab. Hier traf ich Reb, der in einem Sessel saß und eine altmodische Zeitung las. Er ließ sie sinken, als ich eintrat.
»Verräterin.«
»Ja, das bin ich.«
»Weibern darf man wirklich nicht trauen.«
»Nein, kein bisschen.«
Und dann fiel mir auf, dass seine Augen gerötet waren. Ich kniete mich auf den Teppich vor seinem Sessel und sah zu ihm hoch.
»Einer von uns beiden musste es doch machen.«
Er rieb sich das Gesicht. »Ist schon gut. Nur … «
»Es fühlt sich vermutlich komisch an.«
»Ja. Ich weiß nicht. Er hat sich nicht viel verändert.«
»Und er freut sich, dass du hier bist.«
»Aber, Mann, warum hat er mir nicht schon früher eine Nachricht geschickt?«
»Das wird er dir bestimmt erklären.«
»Das werde ich, mein Sohn«, sagte Alvar, der gerade ins Zimmer trat. »Und ich hoffe, du verzeihst mir mein Handeln. Kommt mit, wir setzen uns in der Garten.«
Wir folgten ihm, und bei einem großen Krug Cidre begann Alvar uns seine Geschichte zu erzählen. Er tat es ebenso präzise und nüchtern, wie Reb Bericht zu erstatten pflegte.
Alvars Mutter war eine Frau aus der Civitas, eine angesehene Professorin für Volkswirtschaft, sein Vater Tierarzt. Alvar war schon früh den Talentsuchern der Electi aufgefallen und gefördert worden. Im Gegensatz zu den übrigen jungen Männern hatte man ihn in der Pubertät nicht mit den aggressionshemmenden Medikamenten vollgestopft, sondern in das Ausbildungslager der Wagenlenker gesandt, erzählte Alvar.
»Was für Medikamente?«, fragte ich verdutzt.
Nun schenkten mir beide das für sie so typische schiefe Lächeln.
»Männer werden zu reißenden Tieren, wenn man sie ungehindert aufwachsen lässt. Wusstest du das nicht, Princess? Die Errungenschaften der Medizin sind das Einzige, was uns zähmen kann. Mit der kleinen Nebenwirkung, dass der Körper rundlich wird und das Verlangen nach Frauen sich in Grenzen hält. Aber wir zetteln keine Kriege mehr an und verhauen uns nicht mehr gegenseitig.«
»Nein, nein, das wusste ich nicht.«
»Die meisten wissen es auch nicht. Die Mittel sind in bestimmten Lebensmitteln enthalten. Die Mütter dürfen sie nach eigenem Ermessen einsetzen. Und fast alle tun es.«
»Und du hast es geschafft, sie nicht verabreicht zu bekommen?«, fragte Alvar Reb.
»Ja. Was mir entsprechenden Ärger eingehandelt hat.«
»Verständlich. Wir kommen später dazu.«
Alvar berichtete kurz von seiner Ausbildung als Wagenlenker und seinen ersten Erfolgen.
»Unseligerweise stieg mir das zu Kopf, und schon in deinem Alter, Reb, gehörte ich zu den bevorzugten Objekten weiblicher Begierde. Ich ließ mir das gefallen. Wir hatten eine wilde, aufregende Zeit, und als ich deine Mutter kennenlernte – nun, da wurden wir
Weitere Kostenlose Bücher