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Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ungewöhnlich wenig gesagt, und mir schien es, dass er noch immer mit ungemütlichen Gefühlen zu kämpfen hatte. Es wäre nicht schlecht, wenn er gezwungen würde, endlich den Mund aufzumachen. Deshalb fragte ich: »Alvar, darf ich an den Strand gehen? Wir haben uns zwar den Mont Saint-Michel angesehen, aber wir durften nicht aussteigen. Es hätte uns ja eine Krabbe kneifen können.«
    »Ja, natürlich darfst du an den Strand. Folge dem Pfad dort drüben. Aber geh nur so weit, dass du das Haus noch sehen kannst. Die Flut kommt in einer Stunde.«
    »Dann kommen nämlich wirklich die großen Krabben und beißen dir die Zehen ab, Princess!«, sagte Reb.
    »Dann fange ich eine und setze sie dir heute Nacht ins Bett. Mal sehen, was sie dir dann abbeißt!«
    Alvar hob den Daumen und sagte: »Der ging an Kyria!«

ON THE BEACH
    D er Strand war halbmondförmig, feinsandig und endlos – das Wasser war weg.
    Von Ebbe und Flut hatte ich gelesen, auch Dokumentationen gesehen, aber die Wirklichkeit überraschte mich. Ich zog meine Schuhe aus und ging auf dem Meeresboden spazieren. Vereinzelt ragten rund gewaschene Felsen auf, Tang und Muscheln hatten sich bis zur Wasserlinie festgesetzt, sonnenwarme Wasserpfützen in den Vertiefungen zu ihren Füßen gesammelt. Ich watete darin herum, und keine Krabbe knabberte an meinen Zehen. Natürlich achtete ich darauf, das Haus nicht aus den Augen zu verlieren. Es stand auf einer kleinen Anhöhe hinter den grasbewachsenen Dünen, die Spitze des Rundturms war unverwechselbar. Als sich die sandigen Wellen des Bodens langsam mit Wasser füllten, kehrte ich zum Strand unterhalb des Hauses zurück und setzte mich in den trockenen Sand, um das Ansteigen der Flut zu beobachten. Sie kam gemächlich, nicht mit rauschenden Wellen, doch stetig stieg der Wassersaum. Kleine Vögel pickten im Gleichtakt irgendetwas aus dem Boden, Möwen kreisten schreiend um die Felsen, zwei Reiher glitten lautlos über mich hinweg.
    Die Spannung der vergangenen Tage fiel von mir ab. Eine große Ruhe erfüllte mich.
    Ich hatte ein Ziel erreicht.
    Nicht das endgültige, aber einen Haltepunkt, der bedeutsam war. Warum, das war mir noch nicht ganz klar. Es war nur ein Gefühl.
    Sand rieselte durch meine Finger, Wind zupfte an meinen Haaren, Salz schmeckte ich auf meinen Lippen.
    Ich fühlte mich so ungeheuer gesund.
    Ja, das war es wohl.
    Seit Tagen hatte ich schon nicht mehr an die mir drohende Krankheit gedacht.
    Ich schob den Gedanken daran auch jetzt von mir und beobachtete den Flug der Möwen.
    Reb schien inzwischen auch etwas lockerer geworden zu sein. Sein Vater beeindruckte mich sehr. Vielleicht deswegen, weil ich Männern seiner Art bisher nicht begegnet war. Wäre es anders, wenn ich auch einen Vater gehabt hätte?
    Aber wäre er Alvar ähnlich gewesen oder auch nur ein dicklicher Hanswurst wie Junor Berti? Warum, um der Großen Mutter willen, gab man den heranwachsenden Männern irgendwelche Medikamente, damit sie solche Weichlinge wurden? Und wenn sie sie nicht einnahmen, verhielten sie sich dann wirklich wie wilde Tiere?
    Hatten sich früher die Männer alle wie wilde Tiere verhalten?
    Man hatte es uns so beigebracht – vor der Großen Pandemie herrschten die Männer, hatten jahrhundertelang die Frauen unterdrückt, mit Gewalt und Krieg und Blutvergießen ihre Macht durchgesetzt.
    Senor Cassius fiel mir ein. Er hatte behauptet, die Geschichte sei umgeschrieben worden.
    Andererseits – es gab diese Raider-Groups. Junge Männer, die sich einen Spaß daraus machten, die Subcults zu jagen, zu verprügeln, sie – und hier fürchtete ich wirklich, dass noch mehr verschwiegen wurde –, sie umzubringen.
    Diese Männer waren gewalttätig und brutal. Und niemand zog sie für ihre Taten zur Rechenschaft.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verwirrte es mich. Ich wusste zu wenig, viel zu wenig. Meine Lehrerinnen hatten mich zwar mit Wissen vollgestopft, aber offensichtlich nur mit solchem, das ihnen genehm war.
    Ich stand auf und ging zum Haus zurück.
    Ich wollte Antworten haben.
    Hier, bei Alvar, konnte ich vielleicht ein paar finden.
    Doch zunächst fand ich nur Nora vor, die mir berichtete, dass Reb und Alvar zu den Ställen gegangen seien. Dahin wollte ich ihnen nicht folgen. Dort hausten diese großen Pferde mit ihren großen Zähnen und den harten Hufen. Stattdessen wusch ich mir Sand und Salz ab, cremte meine gerötete Haut ein und folgte dann dem Duft des Essens. Er führte mich in ein gemütliches

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