Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Hallo, Sind Sie noch dran?«
Diesmal bekam er Antworten, die ich leider nicht verstehen konnte.
»Kamen als Kuriere mit wichtigen Medikamenten …
Ja, übernachten heute bei mir …
Morgen in Cléder, selbstverständlich.
Natürlich kümmere ich mich darum …
Nichts zu danken.«
Dr. Grenouille legte auf und setzte sich wieder zu mir.
»Sieht aus, als ob ich Alvar TerHag ziemlich sprachlos gemacht habe.«
»Will er Reb nicht sehen?«
»Ganz im Gegenteil, Mademoiselle. Er ist geradezu begeistert, Sie beide bei sich willkommen zu heißen. Er wird auf seinem Gestüt auf Sie warten.«
»Gestüt?«
»Er züchtet und trainiert Pferde, die er mit, glaube ich, großem Gewinn nach NuYu verkauft. Ich nehme allerdings an, dass er es über einen Mittelsmann tut, denn vermutlich ist er noch immer persona non grata.«
»Wie kommt es, dass er hier solchen Einfluss hat?«
»Wie er es geschafft hat, als Flüchtling hier Fuß zu fassen, weiß ich nicht. Ich denke, er hatte Beziehungen. Die erfolgreichen Wagenlenker sind über alle Grenzen hinweg berühmt. Wenn bei Ihnen sein Name gelöscht wurde, könnte es noch immer sein, dass Sie hier in den Zeitungsarchiven einiges über ihn finden. Aber besser ist es wohl, er erzählt es Ihnen selbst. Auf jeden Fall kann er Ihnen sehr nützlich sein. Er leitet eine der größten Organisationen, die Asylanten hilft, sich hier einzubürgern.«
Es klingelte an der Tür, und Dr. Grenouille stand auf.
»Sollte das Reb sein, werden wir dieses Thema jetzt beenden. Morgen besorge ich Ihnen einen Wagen und einen Fahrer, der Sie sicher zu Alvar bringt.«
»Danke!«
Es war Reb. Er hatte für sich andere Kleidung besorgt und sah in schwarzer Jeans und einem dünnen schwarzen Pullover endlich wieder wie er selbst aus. Für mich hatte er zwei rüschenlose Shirts und eine etwas zu weite schwarze Hose mitgebracht.
Für die war ich nach dem üppigen Mahl, das Dr. Grenouille uns auftischte, ziemlich dankbar.
GESPRÄCH MIT ALVAR
I ch erklärte Reb, ich hätte darum gebeten, nach Fréhel gebracht zu werden, und Dr. Grenouille habe bereits Erkundigungen eingezogen, wo Hazels Familie lebte. Eine Limousine – auch wieder ein höchst eigenwilliges Gefährt, stromlinienförmig, doch mit allerlei glänzendem Chrom verziert, irgendwie schlitzäugig und hochstirnig – erwartete uns vor dem Haus.
»Voilà, la Déesse!«, stellte uns Dr. Grenouille das Fahrzeug vor.
»Die hiesige Göttin?«, fragte ich verblüfft.
»Wenn man so will. Es ist die Typbezeichnung dieses Autos – Citroën DS. Und das hier ist Antoine, der Sie chauffieren wird.«
Antoine trug eine dunkelblaue Uniform samt Schirmmütze und hielt mir höflich die Tür auf. Doch ich verabschiedete mich erst einmal von dem freundlichen Arzt und lernte dabei, dass eine Umarmung und ein Küsschen rechts, ein Küsschen links zu den herzlichen Gepflogenheiten dieses Landes gehörten.
Wieder war es die unglaublich weiche Federung des Gefährtes, die mich einige Minuten mit dem Frühstück kämpfen ließ, dann aber hatte ich mich daran gewöhnt und lauschte Reb und Antoine, die sich angeregt über verschiedene Fahrzeugtypen unterhielten.
Die Reservate waren durch ihre selbst gewählte Unabhängigkeit von vielen Neuerungen ausgeschlossen. In NuYu war der Fahrzeugbau viel weiter entwickelt, kleine E-Jogger dienten den Bewohnern in den Städten als Fortbewegungsmittel. Sie standen an allen leicht erreichbaren Stellen, jeder mit der Berechtigung auf seinem Id konnte sie benutzen und stellte sie dann an ihren Ladestationen in der Nähe seines Zielortes ab. Für längere Fahrten über Land gab es E-Limos, die man bei den Vermietern orderte – ebenfalls über Id-Berechtigungen –, in unterschiedlicher Ausstattung und Leistungsklasse. Aber der Individualverkehr war gering. Hochgeschwindigkeitszüge, die Intertrains, verbanden alle größeren Städte miteinander. An den Stationen fand man dann die Kleinfahrzeuge vor, mit denen man die persönlichen Ziele ansteuerte. Mit sechzehn konnte man eine Fahrerlaubnis für sie erwerben. Ich fand es sehr komfortabel. Hier aber stand der individuelle Besitz eines Fahrzeugs noch hoch im Kurs. Und da die Reservate selten ausreichend Rohstoffe besaßen, wurden die Gefährte aus den Jahren nach der Abspaltung nachgebaut, gepflegt, repariert und recycelt. Technische Veränderungen hatte man kaum vorgenommen, vermutlich fehlte entweder das nötige Wissen, oder man hatte kein Interesse daran. Unzufrieden war man aber
Weitere Kostenlose Bücher