Kyria & Reb - Die Rückkehr
Lider.
Mann, tat das weh.
MASKENFALL
M eine Mutter kam am nächsten Tag wieder nach Hause, begleitet von einer ganzen Gruppe unsichtbarer, sprich zivil gekleideter Amazonen. Maie hatte umfassenden Personenschutz bereitgestellt. Ma Dama Isha trat nach außen hin energisch und zielbewusst auf, aber als ich am Abend in ihr Büro kam, stand sie zitternd am Fenster, das Gesicht schweißnass und blass.
»Was ist, Mama? Hast du Schmerzen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Angst. Entsetzliche, unerklärliche Angst, Kyria. Dr. Martinez hat mich gewarnt, dass solche Panikattacken mich noch lange verfolgen werden.«
Ich legte meinen Arm um ihre Taille und hielt sie fest. »Angst lähmt, ich weiß.«
»Ja, Kyria, das weißt du. Und ich trage auch noch Schuld daran, dass du lange Zeit Angst haben musstest.«
»Ich bin damit fertig geworden, du wirst es auch. Es ist gut, wenn man sich ablenkt. Vor sich hinzubrüten macht es nur schlimmer.«
»Ich brüte nicht.«
»Nein.«
Sie lächelte zaghaft.
»Die olle Olga trötet wieder gegen die Männer. Maie hat es nicht verhindern können, dass Informationen über diese Bibelfanatiker an die Presse gelangt sind. Aber von deiner Entführung hört man zum Glück nichts«, berichtete ich ihr.
»Die olle Olga – meine Tochter, so spricht man nicht von einer Kandidatin.«
Aber die Formulierung hatte sie erheitert. Wir beschlossen, uns die neuesten Versprechungen anzusehen, die sie NuYus Wählern verkündete.
Olga – oder diejenigen, die ihr die Reden schrieben – hatte es geschickt angefangen. In nuschelig charmantem Bayerisch beschwor sie alte Zeiten herauf, in denen brutale Männerhorden raubend, mordend und schändend unter dem Zeichen des Kreuzes durch die Lande gezogen waren und die Frauen geknechtet hatten. Sie warnte vor einer Rückkehr in diese barbarischen Zeiten und forderte strengere Medikamentierung des gewaltbereiten Geschlechts, stärkere Beschränkung der Rechte und Razzien gegen jene, die radikales Gedankengut verbreiteten. Dabei ließ sie immer wieder kleine Spitzen gegen ihre Konkurrentin einfließen, die so blauäugig sei, für mehr Gleichberechtigung einzutreten. Und den NuMen kündigte sie gänzlich die Freundschaft auf.
»Ob sie sich damit Freunde macht?«, murmelte ich.
»Solange die Männer kein Wahlrecht haben, kann sie die Frauen in Angst und Schrecken versetzen.«
»Was willst du dagegen tun?«
»Diplomatisch schweigen. Und Munition sammeln.«
»Mama, du weißt, dass deine Freundin Saphrina – mhm – eine Schlange ist?«
Maie, die Hochmutter und ich hatten beschlossen, das, was wir bei Donna Helika erfahren hatten, Ma Dama Isha nicht sofort zu unterbreiten. Sie würde nicht glauben, was die Hohepriesterin getan hatte. Es war besser, ihr Misstrauen langsam zu wecken.
»Ich habe seit Wochen keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt«, sagte meine Mutter. »Aber du hast mir zu denken gegeben.«
Sie löste sich auch meiner leichten Umarmung und ging zu ihrem Schreibtisch.
»Worüber hast du nachgedacht?«
»Über Saphrinas Lebenswandel. Kyria, sie war einst meine beste Freundin. Wir sind gemeinsam aufgewachsen und haben einander immer vertraut. Das heißt, ich habe ihr vertraut. Wenn ich es aber nun mit Abstand betrachte, dann sieht es allerdings so aus, als ob sie oft genug verschwiegen war. Dass sie einen Sohn hatte, wusste ich nicht. Dass sie ein Verhältnis mit Alvar hatte, hat sie gut versteckt. Mit Demir … Verdammt, er bewunderte sie, und ich fürchte, auch ihn hat sie betört.«
»Ja, so etwas hat Donna Helika angedeutet.«
Mama sah mich an, und ihre Augen glitzerten.
»Mein Vater hat, nachdem man ihm gesagt hatte, dass er versetzt würde und dich verlassen müsse, den Tempel aufgesucht. Er war mit Saphrina zusammen, und anschließend hat er noch mit Donna Helika gesprochen. Er wirkte verstört, hat sie uns gesagt.«
»Davon hat er mir nichts erzählt.«
»Auch er hatte wohl seine Geheimnisse, nicht wahr?«
»Was seinen Glauben anbelangte, war er etwas verschlossen. Aber eher, weil ich wenig Interesse an spirituellen Dingen hatte. Ich hätte wohl besser hinhören sollen.«
»Kann sein, geändert hätte es vermutlich nichts. Warum wollte Saphrina, dass ich nach meinem achtzehnten Geburtstag in den Tempel eintrete?«
Ma Dama Ishas Miene wurde hart. »Sie redete mir ein, dass du dort in Frieden sterben würdest, wenn der Gendefekt seine Wirkung entfaltete. Sie war sehr überzeugend, sprach davon, dass ich als künftige Landesmutter nicht
Weitere Kostenlose Bücher