Kyria & Reb - Die Rückkehr
nachprüfen.«
»Darum bist du geflohen.«
»Ja, darum. Ich wollte in Freiheit sterben.«
»Ich hätte dir jeden Wunsch erfüllt, Kyria«, sagte sie und blickte mich traurig an.
»Davon war ich nicht überzeugt.«
Sie nickte. »Ich habe viel falsch gemacht. Wer ist der junge Rebell, der dir geholfen hat?«
»Reb? Ein ungalanter Subcult. Frag Alvar mal nach seinem Sohn.«
»Bitte?«
»Er wird es dir bestätigen.«
»Nun, dann wird er nicht ganz so ungalant sein, wie du sagst. Alvar terHag ist ein sehr kultivierter Mann.«
»Das stimmt. Reb hat auch seine einnehmenderen Seiten, aber die betont er nicht übermäßig.«
Meine Mutter betrachtete mich kritisch. »Du warst lange mit ihm zusammen.«
»Mhm.«
»Er gefällt dir?«
»Mhm.«
Ihr Blick war fragend. Ich konnte ihm nicht entkommen. Also sprach ich.
»Er hat ein so verdammt hartes Leben gehabt, Mama. Seine Mutter wollte, dass er die dämpfenden Medikamente nahm, sein Vater hat ihn über die Folgen aufgeklärt, also hat er das Essen verweigert. Er ist als Kind fast verhungert. Und er ist mürrisch geworden. Das wird man, wenn man sehr hungrig ist.«
Ma Dama Isha nickte.
»Sie hat ihn dann immer in eine Kiste gesperrt, in der er kaum Luft bekam. Er … er erträgt die Dunkelheit nicht.« Mir wurde noch immer übel vor Wut, als ich daran dachte, wie er neben mir gelegen hatte – regungslos, vorgab zu schlafen und dennoch wach und voller Furcht vor den hässlichen Träumen, die ihn verfolgten.
»Das ist ja ungeheuerlich!«
»Ja, Mama, das ist es. Und trotzdem hat er es geschafft zu überleben. Er gibt sich nach außen hin hart und unfreundlich, aber das ist er nicht. Er hat mir beigestanden und mich getröstet. Wenn auch auf ziemlich ruppige Art. Er … ich glaube, er hat Angst, freundlich zu sein. Weil er dann verletzt werden kann.«
»Wer ist seine Mutter?«
»Das möchtest du nicht wissen, Mama.«
»Eigentlich doch.«
»Sie ist … standesgemäß.«
»Eine Electi? Wieso lebt er dann bei den Ausgestoßenen? ist er ein Verbrecher?«
»In den Augen seiner Mutter – ja.«
»Kyria!«
Sie würde mich wieder eine Lügnerin schimpfen. Aber vielleicht brachte es sie dazu, mal über das eine oder andere nachzudenken.
»Ma Donna Saphrina, die Hohepriesterin des Matronentempels, hat ihren zehnjährigen Sohn verstoßen, weil er ein paar Electi-Zicken verprügelt hat, die ihn gequält haben.«
Ma Dama Isha machte den Mund auf und wieder zu. Und dann sagte sie: »Dann lügt er. Saphrina hat keinen Sohn.«
»Und Reb keine Mutter.« Ich stand auf. »Es ist besser, ich gehe jetzt, Mama, sonst wird unser Gespräch sehr unfreundlich enden.«
Sie blieb stumm, als ich die Tür öffnete und das Sanktuarium verließ.
Ich war nicht glücklich über den Verlauf unserer Unterhaltung. Der Kummer, der im Herzen meiner Mutter lebte, hatte mich traurig gemacht. Aber ein wenig mehr konnte ich sie jetzt verstehen. Dass sie weder Bonnies hinterhältige Art noch Rebs Herkunft gleich glauben wollte, musste ich ihr wohl nachsehen.
In zwei Tagen würde Reb hier sein.
Die Vorfreude darauf heiterte mich wieder auf. Vielleicht sollte ich mal einkaufen gehen. Meine Garderobe ließ doch viel zu wünschen übrig.
Derart beschwingt schlenderte ich die Einkaufsmeile entlang und besah mir die Auslagen.
Es war in dem Geschäft, das diese Designerkleider von SanMarco anbot, als mir das Gesicht zum zweiten Mal auffiel. Es tauchte in dem Spiegel auf, mit dem das Schaufenster dekoriert war. Eine Novizin, in weißem Gewand, mit strengem weißem Schleier, der nur die Augen sehen ließ.
Novizinnen streunten eigentlich nicht unbegeleitet durch die Innenstadt. Irgendwas an ihr kam mir seltsam vor. Ich schlenderte langsam weiter, um mir im nächsten Laden Schuhe anzusehen.
Die Weiße blieb auf Abstand, ging langsam, mit gesenktem Kopf und den Händen in den weiten Ärmeln, auf der anderen Straßenseite an mir vorbei.
Na gut, sollte sie ihren Spaß haben. Vielleicht war das eine Art Buße oder so. Die Matronen hatten einige seltsame Regeln für ihre Novizinnen aufgestellt, soweit ich wusste. Sie waren ein Grund, warum ich mich mit Händen und Füßen gewehrt hätte, in den Tempel einzutreten.
Aber das Thema war nun endgültig durch.
Ich betrat die Boutique, die mich mit einem türkisfarbenen Hemd lockte, und als ich den Laden mit einer gut gefüllten Tasche verließ, war keine Spur mehr von der Novizin zu sehen.
ZUSAMMENSTOSS MIT VICTOR
D ie Arenen unterschieden sich nicht nur
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