Kyria & Reb - Die Rückkehr
nachmachte. Wie nervtötend solche Äußerungen waren, das hatte sie ihm beigebracht.
»Hier gibt’s kein Kannich oder Willnich«, herrschte ihre Peinigerin ihn an. »Versuchen Sie es noch mal!«
Er tat es mit zitternden Armen und unter lautem Stöhnen. Zweimal drückte er das Gewicht hoch, dann produzierte er ein leises Schluchzen.
»Weichling!«, fauchte Schwester Desdemona und reduzierte das Gewicht. »Für heute nur noch drei Kilo. Eine Viertelstunde lang. Ich will Sie in Ihrem Schweiß gebadet sehen, wenn ich zurückkomme!«
»Jawohl, Schwester DesDämonia!«, sagte er.
Sie rauschte aus dem Raum, und die drei anderen betrachteten ihn mit Mitleid.
»Verärger die bloß nicht«, hauchte der Nerd.
»Mal sehen.« Reb stellte die Belastung auf fünfunddreißig Kilo. Wenigstens eine kleine Herausforderung wollte er sich gönnen. Dann machte er sich an die Arbeit. Und wie gewünscht, lag er nach einer Viertelstunde nass geschwitzt auf der Bank. Als die Schwester wieder zu ihnen kam, hatte er das Gewicht reduziert. Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu und beorderte ihn zum Schultertraining. Wieder jammerte er herzerweichend, erhöhte aber, kaum dass sie gegangen war, die Gewichte. Das Training tat ihm gut, und während die drei anderen sich abhampelten, spürte er, wie sich seine Muskulatur auf angenehme Weise anstrengte. Die Übung an den Maschinen war weit einfacher als das Training mit Pferd und Wagen auf einer holprigen Übungsstrecke voller Maulwurfshügel und Kaninchenlöchern.
Drei Tage konnte er die allseits verhasste Schwester DesDämonia hinters Licht führen, dann entdeckte sie seinen Schwindel.
Leider nahm sie es nicht mit Humor. Er wurde verwarnt, und die Patientencontrollerin bestellte ihn zu sich. Hier kam wie erwartet die mangelhafte hormonelle Einstellung wieder zur Sprache, und Reb verlor die dünne Tünche der Zivilisation. Er spuckte der Direktorin des Heilungshauses vor die Füße.
Am selben Tag verließ er auf eigene Faust das Haus und nahm sich ein Zimmer in einem kleinen Hotel.
Und dann fing er an nachzudenken.
Er musste zu seinem Team zurück. Die Pferde standen noch in Irland, seine Leute kümmerten sich um sie. In drei Tagen würden sie eingeschifft und nach Le Havre gebracht werden, um von dort nach Paris zu reisen. Anstrengend genug für die Tiere, und es wäre besser, wenn er dabei sein könnte. Spätestens im Hafen von Le Havre musste er sie übernehmen.
Sein Bein war so gut wie neu, die Wunde verheilt, die Fäden würden sich selbst auflösen. Die Narbe, die der unprofessionelle Abbruch der Behandlung hinterlassen würde, nahm er in Kauf. Er griff nach seinem KomLink und wählte die Adresse der Pariser Arena.
Nachdem er seine Unterbringung und den Transport geregelt hatte, blätterte er das Magazin durch, das man den Gästen zur Unterhaltung bot. Es war schon knickohrig und zerfleddert, und die Modetipps für aufstrebende junge Männer fand er affig. Aber dann blieb sein Blick an einem ganzseitigen Foto hängen. Zwei Frauen im Profil, die ältere, etwas größer, hinten, die jüngere, ihr sehr ähnlich, im Vordergrund.
Junora Kyria und ihre Mutter, La Dama Isha.
Ein schmerzhafter Stich von Sehnsucht durchfuhr ihn.
Und als er eine Aufnahme von der Princess entdeckte, wie sie auf dem Opernball mit einem lächelnden Ole Mac tanzte, gesellte sich das dumpfe Gefühl des Verlustes hinzu.
Er ergriff das Amulett, das um seinen Hals hing, und nahm es ab. Der Brillant in der Mitte des Kreuzes funkelte ihn an, und sein Blick wurde von den Facetten seines Schliffs angezogen.
Etwas war anders geworden.
Kyria, die hilflose, kranke Electi, war jetzt eine bedeutende junge Frau, die sich auf dem höchsten Parkett zu Hause fühlte. Sie bewegte die Menschen mit ihren Taten und Worten, man berichtete über ihr Auftreten, ihr Aussehen, ihre Meinung.
Das Gefühl des Verlustes wurde stärker, und die Trauer darüber öffnete ihm plötzlich die Augen für das, was er die ganze Zeit zu verdrängen versucht hatte.
Diese Princess war keine seiner zahlreichen Liebeleien.
Kyria hatte sein Herz berührt.
Liebe war ein bisher für ihn kaum fassbarer Begriff gewesen. Liebe hatte er von seiner Mutter nicht erfahren. Die Zuneigung seines Vaters hatte er verloren zu haben geglaubt, als dieser aus NuYu fliehen musste. In der Subcultura gab es Kameradschaft und Unterstützung, aber keine Liebe.
Kyria war ihm, obwohl er sich von Anfang an ihr gegenüber wie der geborene Rüpel benommen hatte,
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