L wie Leiche
sollte.
Von Hähnchen und Pfannkuchen hatte ich endgültig die Nase voll.
Das
Telefon läutete wieder. Ich erwog, mich zu melden und zur Abwechslung
meinerseits den Hörer schnell auf die Gabel zu knallen.
»Mr.
Boyd?« Die Stimme war kühl und arrogant.
»Miss
Rigby«, sagte ich. »Wie geht es dem Schienbein ?«
»Ich
habe Ihr Benehmen ganz amüsant gefunden«, versetzte sie. »Rückblickend betrachtet.
Sind Sie heute zum Abendessen noch frei ?«
»Selbstverständlich«,
antwortete ich.
»Vielleicht
hätten Sie Lust, bei mir zu essen«, fuhr sie fort. »Wie wäre es so gegen acht ?«
»Klingt
verlockend. Nur wir beide allein?«
»Wir
werden zu dritt sein«, erwiderte sie. »Bobo kommt auch .«
»Ich
hoffe, er hat mich auch ganz amüsant gefunden«, sagte ich. »Rückwirkend
betrachtet .«
»Ich
denke, das wird sich feststellen lassen. Oder macht der Gedanke Sie etwa
nervös, Mr. Boyd ?«
»Nur
vorsichtig. Also dann: bis acht, Miss Rigby.« Dann legte ich hastig auf, um
nicht zum drittenmal der letzte zu sein.
Die
Frage war, überlegte ich zwei Stunden später, ob der gut angezogene Essengast
ein Schulterhalfter trug. Ich entschied mich für eine positive Antwort und
schlüpfte in mein Jackett. Das Halfter war eine Spezialanfertigung und
markierte sich nicht.
Als
ich zum Wagen ging, kamen mir doch gewisse Bedenken, auf was ich mich da wohl
eingelassen haben mochte. Es grenzte an Tollkühnheit, sich direkt in die Höhle
der Löwin zu begeben. Aber was blieb mir anderes übrig, um die Dinge endlich in
Fluß zu bringen? Die einzigen Leute, die mir weiterhelfen konnten, hüllten sich
in Schweigen. Vielleicht würde ich sie zum Reden bringen, wenn ich ihnen hart genug
zusetzte. Entweder das, oder ich bekam möglicherweise eine Kugel in den Kopf.
Sich mit Theorien befassen zu können, war nun einmal das Vorrecht von
Berufspolizisten. Ein Privatdetektiv mußte leider in den sauren Apfel beißen
und aktiv werden. Bloß daß ich allmählich schon reichlich genug saure Äpfel zu
beißen bekommen hatte.
Es
war fünf Minuten nach acht, als ich vor der Rigbyschen Residenz in Sublime Point vorfuhr. Das Glockenspiel ertönte im Haus. Zwei
Sekunden später wurde die Haustür geöffnet. Sarah Rigby trug ihre gewohnte
überhebliche Mine zur Schau. Sie war wieder ganz in Weiß gewandet und so tief
dekolletiert, daß der Ausschnitt ihres Kleides nur knapp die Brustwarzen
bedeckte. Sie sah sexy aus und zugleich tödlich. Und sie hatte einen sinnlichen
Zug um den Mund.
»Wie
nett von Ihnen, pünktlich zu sein, Mr. Boyd«, sagte sie.
»Die
Einladung war so unwiderstehlich«, erwiderte ich.
»Bitte,
treten Sie doch näher .« Sie riß schwungvoll die Tür
weiter auf.
Ich
folgte ihr in den Wohnraum und sah, daß es sich Shanks wieder in einem Sessel
bequem gemacht hatte. Es bereitete mir ein tiefes Gefühl von Genugtuung, daß
seine Nase rot und geschwollen war. Er streifte mich mit einem unbeteiligten
Blick.
»Wir
sind sehr großzügig hier in Santo Bahia«, bemerkte Sarah Rigby. »Alles ist
vergeben und vergessen, nicht wahr, Bobo ?«
Shanks
entblößte seine perlweißen Zähne zu einem kurzen, gezwungenen Lächeln.
»Versuchen Sie so etwas nicht zu wiederholen, Boyd«, drohte er. »Ein zweites
Mal lasse ich mich nicht überrumpeln .«
»Bourbon
mit Eis, soweit ich mich erinnere«, sagte Sarah. »Ist das richtig, Mr. Boyd ?«
»Goldrichtig«,
versetzte ich.
Sie
füllte ein Glas, reichte es mir und ließ sich dann auf einem Stuhl nieder.
Beide beobachteten mich schweigend, wie ich den ersten Schluck nahm, als gehöre
ich zu einer seltenen zoologischen Gattung.
»Und
wie kommen Sie mit Ihren Nachforschungen voran, Mr. Boyd ?« erkundigte sich Sarah schließlich.
»Langsam«,
erwiderte ich. »Vielleicht können Sie mir dabei helfen. Als Sie und Bobo
gegenüber Melanie gewisse Orgien erwähnten, haben Sie das ernst gemeint, oder
sollte das nur Spaß sein ?«
»Orgien ?« wiederholte Shanks.
»Sexuelle
Orgien«, half ich ihm auf die Sprünge. »In der Stadt hält sich hartnäckig das
Gerücht, daß Sie ein Sadist sind, Bobo. Da war dieses Hausmädchen von Ihnen,
das nach einer Ihrer Orgien mitten in der Nacht ärztliche Hilfe brauchte. Und
dann der Tourist, den Sie bei einer Barschlägerei fast totgeprügelt haben.
Orgien sollen Ihre Spezialität sein, wurde mir gesagt. Die Mädchen dafür wurden
sogar von außerhalb herbeigeholt .«
»Sexuelle
Orgien gehören hier in Santo Bahia zur Tradition, Mr. Boyd«,
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