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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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bewarfen. Wegen des großen Polizeiaufgebotes brauchte er fast den ganzen Nachmittag, um seine Joints loszuwerden, und als er keine mehr hatte, wanderte er müde und besorgt zur 17ten zurück. Vielleicht konnte ihnen ein neuer Einkauf bei Delmont ein paar Tage lang über die Runden helfen …
    An der 17ten und der Q lief ein hochaufgeschossener, magerer Junge auf die Straße und versuchte, die Tür eines Autos aufzureißen, das vor einer roten Ampel stand. Doch es war eines von den geschützten Autos, trotz seines billigen Aussehens. Der Junge schrie auf, als der Griff ihm einen Schlag versetzte. Er hatte seine Hand noch nicht gelöst, als der Motor aufheulte, er durch die Luft katapultiert wurde und dann über den Asphalt rollte. Autos fuhren vorüber. Eine Menge sammelte sich um das blutende Kind. Leroy ging mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Wenigstens würde das Kind weiterleben. Er hatte unten in der Stadt schon Leibwächter gesehen, die Diebe abgeknallt hatten; sie niederschossen und dann einfach weitergingen.
     
    Als er am Fish Park vorbeikam, sah er auf der Eckbank einen Mann sitzen, der um sich schaute. Der Bursche war weiß und jung, das Haar blond und kurzgeschnitten, er trug eine Brille mit Drahtgestell; seine Kleidung war lässig, aber neu, wie die der Demonstranten unten auf der Mall. Er hatte Geld. Leroy ging knurrend auf den scharfgesichtigen Fremden zu.
    »Was tun Sie hier?«
    »Sitzen!« Der Mann war schreckhaft, nervös. »Ich sitze nur in einem Park!«
    »Das hier ist kein Park, Mann. Das hier ist unser Vorgarten. Sehen Sie hier irgendwelche Vorgärten bei den Apartment-Häusern? Nein. Also! Das hier ist unser Vorgarten, und wir mögen keine Leute, die einfach hereinspaziert kommen und sich irgendwo hinsetzen!«
    Der Mann stand auf und ging fort. Er schaute noch einmal zurück. In seinem Gesicht spiegelten sich Wut und Angst. Die Männer auf den anderen Parkbänken schauten Leroy neugierig an.
     
    Zwei Tage später hatte er kaum noch einen Cent mehr. Er ging zur Connecticut Avenue, wo sein alter Freund Victor, wenn er nicht einen neuen Job gefunden hatte, für Geld auf der Mundharmonika spielte. Er war da und schmetterte »Amazing Grace«. Als er Leroy sah, hörte er auf zu spielen.
    »Robbie! Was ist los?«
    »Nicht viel. Und bei dir?«
    Victor deutete auf die leere Mütze, die neben ihm auf dem Bürgersteig lag. »Du siehst es selbst. Ich hab’ noch nicht einmal das Saat-Geld für die Mütze, Mann.«
    »Dann hast du nicht neulich Gartenarbeit gemacht?«
    »Nein, nein. Neulich nicht. Mir geht es trotzdem ganz gut. Die Leute zahlen noch immer für Musik, Mann, wenigsten ein paar davon. Musik bringt’s.« Er sah Leroy an, das Gesicht in Richtung Sonne gedreht. Früher hatten sie zusammen beim Park-Dienst gearbeitet. Sie waren den ganzen Sommer lang an der frischen Luft gewesen, mit dem Lastwagen die Straßen hinabgefahren, hatten an jedem Baum angehalten, wo einer von ihnen in der Schlinge hochgehievt wurde. Der in der Schlinge mußte sich wie ein Akrobat von den Baumstämmen und Zweigen fernhalten und dabei jeden Zweig auf eine Länge von zwölf Fuß stutzen. Für die Kettensäge hatte man eine ruhige Hand gebraucht, damit man sich nicht ins Bein oder etwas anderes schnitt. Das waren noch prima Zeiten gewesen. Doch jetzt gab es keinen Park-Dienst mehr, und Victor bedachte Leroy hinter seiner leeren Mütze mit einem stoischen Blinzeln.
    »Hast du jemals wieder zu den Bäumen hochgeschaut, Robbie?«
    »Nicht oft.«
    »Ich hab’s getan. Sie verwildern, Mann! Sie wuchern wie verdammtes Unkraut! Jeden Sommer wachsen sie wie verrückt. Bald werden die Leute ihre Autos durch die Zweige steuern müssen. Aus den Straßen werden Tunnels. Und wenn dann noch die Hälfte der Häuser hier in sich zusammengefallen sind … Mir gefällt die Idee, daß der Wald die Stadt übernimmt. Sie wie kudzu überrennt, bis am Ende alles nur noch Wald ist.«
     
    Am diesem Abend aßen Leroy und Debra Tortillas und gebackene Bohnen, die sie sich vom letzten Geld gekauft hatten. Debra hatte eine unruhige Nacht hinter sich, und ihre Temperatur war immer noch hoch. Rochelle legte die Stirn in Falten, während sie Debra beobachtete.
    Leroy entschied, ein paar der größten Pflanzen schon vor der Zeit zu ernten. Er könnte sie über der Kochplatte trocknen und am anderen Tag schon wieder im Geschäft sein.
    Am nächsten Nachmittag machte er sich mit der Dämmerung auf den Weg nach Osten, ins Niemandsland. Riesige

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