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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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damit gefüttert hatte, ging er ins Badezimmer und duschte ausgiebig, bis jemand gegen die Tür hämmerte. Als er wieder in seinem Zimmer war, hatte er Schwierigkeiten beim Atmen, und das fiebrige Gefühl war noch immer da. Debra rollte stöhnend von einer Seite auf die andere. Manchmal war er sicher, daß sie immer kranker würde, und bei dem Gedanken spürte er, wie die Angst wieder von ihm Besitz ergriff; er fürchtete sich so, daß er kaum noch Luft bekam … »Ich habe Hunger, Leroy. Kriege ich denn nichts mehr zu essen?«
    »Morgen, Deb, Morgen. Wir haben nichts mehr im Hause.«
    Sie fiel in einen unruhigen Schlaf. Leroy saß auf der Matratze und starrte aus dem Fenster. Weiß-orange Wolken hingen unbeweglich am Himmel. Er fühlte sich leicht benommen, vielleicht hatte er sich dasselbe wie Debra eingefangen. Er erinnerte sich, wie arm er sich selbst mit dem Gras, daß er verkaufen konnte, vorgekommen war; als jeder Monat mit einer verzweifelten Bemühung, die Miete zusammenzukriegen, endete. Aber jetzt … Er betrachtete Debra, die im Dunklen lag; die Wände, die Kochplatte und das Geschirr, in der Ecke, die Wolken vor dem Fenster. Nichts hatte sich verändert. Es war schon ein oder zwei Stunden vor Morgengrauen, als er einschlief, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt.
     
    Am nächsten Tag kämpfte er verbissen darum, das Geld für Kartoffeln zusammenzubekommen. Er untersuchte Münztelefone und Rinnsteine; als er damit fertig war, hatte er nur fünfunddreißig Cents. Er trank soviel Wasser, wie er nur konnte, dann ging er in den Park, um zu schlafen; danach besuchte er Victor.
    »Vic, kann ich mir für heute abend deine Mundharmonika ausleihen?«
    Victors Gesicht verzog sich besorgt. »Ich kann nicht, Robbie. Ich brauche sie selbst. Du weißt doch …«, und er bat ihn eindringlich um Verständnis.
    »Ich weiß«, antwortete Leroy und starrte vor sich hin. Er versuchte, nachzudenken. Die beiden Freunde schauten einander an.
    »He, Mann, du kannst mein Kazoo [8] haben.«
    »Was?«
    »Ja, Mann, ich habe ein gutes Kazoo hier; ich meine, so ein großes aus Metall, daß ein gutes Summen von sich gibt. Es klingt fast wie eine Mundharmonika, aber es ist leichter zu spielen. Du mußt nur die Töne summen.« Leroy versuchte es. »Nein, du sollst summen, Mann, summ da hinein!«
    Leroy versuchte es noch einmal und das Kazoo gab einen langen, schiefen Ton von sich.
    »Siehst du? Jetzt summ eine Melodie!«
    Leroy summte etwas vor sich hin.
    »Und später kannst du auf meiner Mundharmonika üben, bis du den Bogen raus hast, und dir dann selber eine besorgen. Überhaupt kannst du mit einer Mundharmonika nichts anfangen, ehe du nicht gelernt hast, wie man auf ihr spielt.«
    »Aber das …«, sagte Leroy, wobei er das Kazoo anschaute.
    Victor zuckte die Achseln: »Ist einen Versuch wert.«
    Leroy nickte. »Ja.« Er packte Victor bei den Schultern und umarmte ihn. Dann deutete auf auf Victors Schild, auf dem Helft einem Musiker! geschrieben stand. »Glaubst du, daß das hilft?«
    Wieder Achselzucken. »Ja.«
    »Okay. Ich werde mich weit genug zurückziehen, damit ich dir bei dem Geschäft nicht ins Gehege komme.«
    »Mach das! Und komm mal vorbei und erzähl, wie es läuft!«
    »Abgemacht.«
    Leroy ging nach Süden in Richtung Connecticut und M, wo es breite Bürgersteige und jede Menge Banken und Restaurants gab. Die Sonne war eben untergegangen, aber die Hitze war noch genauso drückend wie am Mittag. In einem Mülleimer hatte er ein Stückchen Karton gefunden, das er glattstrich; dann nahm er seinen Kugelschreiber aus der Tasche und schrieb Demonts Botschaft ab. BITTE HILFE – HUNGRIG. Er hatte die Knappheit dieser Worte schon immer bewundert; und wie sie ohne Umschweife zur Sache kamen.
    Aber als er an einer Ecke angekommen war, die einen ganz guten Eindruck machte, brachte er es nicht über sich, sich dort hinzusetzen. Er stand herum, ging weiter, dann wieder zurück. Er schlug sich mit den Fäusten auf die Oberschenkel, starrte wild um sich, dann ging er zum Rinnstein und setzte sich erst einmal, um sich die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
    Schließlich ging er zu einem Pfosten auf dem Bürgersteig und lehnte sich dagegen. Er stellte das Schild vor den Pfosten, legte die alte Baseballmütze vor sich auf den Boden und tat die fünfunddreißig Cent als Anreiz hinein. Dann nahm er das Kazoo aus der Tasche und streichelte es. »Verdammt«, sagte er sich auf dem Bürgersteig mit zusammengebissenen

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