L wie Liquidator
wütend, und dann brach er plötzlich in Gelächter aus. »Sie sind der aufsässigste Kerl, dem ich je begegnet bin, und darüber hinaus wissen Sie genau, daß die Schonzeit fünf Jahre dauert.« Er beugte sich über die Schulter des Technikers. »Er … Er ist wirklich nicht da, was? Überhaupt keine Hoffnung, wie?«
»Nein«, erwiderte der Techniker. »Er ist nicht hier, Sie können sich auf mich verlassen.«
»Sie sind der beste Techniker in weitem Umkreis«, sagte der Historiker, »und ich bin der beste Untermanipulator. Sie haben uns zusammengespannt, denn die Sache ist sehr wichtig. Wir werden uns abwechseln, es ist gut möglich, daß es schneller vorbei ist, als ich denke.« Eine jähe Hoffnung überkam ihn. »Diese Festung können die Abendländer so schnell nicht erobern. Und ich würde mich sehr wundern, wenn sich nicht schon irgendwo Entsatzkräfte gruppierten, die den Verteidigern zur rechten Zeit zu Hilfe kommen werden. Und wenn dieses Entsatzheer rechtzeitig ankommt«, rief der Historiker begeistert aus, »dann werden wir Ihn nicht retten müssen!«
Der Techniker lächelte.
Der Sonnenaufgang fand die Kreuzfahrer durch Schlaf erfrischt und den Argumenten ihrer Kommandeure zugänglicher. Und die – wie alle zugaben – hatten recht. Was für ein anderes Ende hätte der wilde Angriff haben können? Wie Buben hatten sie attackiert, und wie Buben wurden sie verjagt. Die Betäubung und die kleinmütige Niedergeschlagenheit verschwanden. Zu selbstsicher, zu leichtfertig, hatten sie sich auf die Gnade Gottes verlassen. Er hatte sie dafür gezüchtigt. Und ein neues Gefühl der Zuversicht erwärmte die Herzen der Streiter Christi. Und wütende, geduldige Hartnäckigkeit.
Sie bauten ein Lager und zogen einen großen Graben darum herum, und sicherten ihn mit Schanzen. Sie unternahmen kurze Ausfälle in die Umgebung und zu ihrer unangenehmen Überraschung stellten sie fest, daß die Verteidiger keine Gelegenheit verpaßten, den Angreifern die Belagerung zu verbittern. Alle Wasserquellen in weitem Umkreis wurden von Sarazenen verunreinigt, verseucht, vergiftet.
Einige Unternehmungslustige begannen, Wasser in Ledersäcken vom heiligen Fluß Jordan her zu transportieren, um sie den Durstigen teuer zu verkaufen. Niemand regte sich über dieses Geschäft auf, nur die Chronisten in ihren Zelten verfluchten die Wucherpreise der angebotenen Ware.
Die Belagerung beschränkte sich auf die Beunruhigung der Verteidiger durch Scheinangriffe und auf Bombardements der Stadt mit Hilfe der Steinschleudern. Ab und zu gelang es, einen zu unvorsichtigen Verteidiger zu erjagen, aber alles, was man aus den Gefangenen herausbekam, war wenig ermutigend. Die Belagerten hatten mehr Wasser in Zisternen und mehr Lebensmittel in Lagern als die Angreifer. Die Tauben brachten eine freudige Nachricht: In Ägypten bilde sich eine mächtige Armee, und den unbeschnittenen Hunden aus dem Westen bleibe nur so viel Platz, wie ihn der Sattel eines Pferdes oder der Magen eines Geiers bot. Sehr bald würden die verfluchten Giaur zwischen zwei Mühlsteine geraten und zerrieben werden.
Das Schlimmste war der Mangel an Holz. Bäume wuchsen in der Umgebung nicht. Das Hauptinstrument und die Voraussetzung des erfolgreichen Angriffs auf die Stadt mit so hohen Mauern war ihnen nicht möglich aufzubauen: mindestens ebenso hohe Belagerungstürme. Die Weisesten unter den Kreuzfahrern rieten zum Rückzug.
Aber die gepanzerten Pfröpfe, die beutelüsternen Eiseneinfaltspinsel von Rittersleuten, lehnten jeden Gedanken an ein Aufgeben ab. Sie würden sich nicht zurückziehen, sie würden kämpfen und sich schlagen, wie sie es ihr Leben lang getan hatten – halsstarrig, verbissen, beharrlich.
Bis zum Ende.
Welchem Ende? Das ist ihnen einerlei. Fallen sie? Auch gut! Denn wenn nicht die Lebenden des heiligen Jerusalem habhaft werden, so erobern es die Heere der Toten, die Fähnlein der Erlösten, die Legionen der Geister. Jawohl, so stand es geschrieben und so mußte es sein. Soll geschehen, was geschehen soll, denn es wird immer das geschehen, was geschehen muß. Der Wille Gottes machte sie zum Werkzeug, und sicher ist nur eins:
Gott will es!
»Wenn sie mir schon die Flitterwochen und Ihnen selbst die Jagdsaison verdarben, so könnten Sie mir wenigstens sagen, worum es sich da unten eigentlich handelt«, sagte der Techniker erbittert, denn der Historiker konnte sich die ganze Zeit nicht vom Bildschirm losreißen, manchmal opferte er für seine
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