L.A. Woman
Agentur, dann verlässt du Benjamin – was ist hier eigentlich los?“
„Er war ein kompletter Vollidiot. Und versuch ja nicht, mit mir darüber zu diskutieren.“
Judith starrte sie nur an. „Wie meinst du das?“
Sarah schob die Radicchio-Blätter von einer Seite des Tellers auf die andere. Sie sieht mit dieser Haarfarbe aus wie ein gelangweiltes Starlet, dachte Judith.
„Ich meine, dass er so rücksichtslos war. Ich bin hier, arbeite mindestens dreißig Stunden am Tag, und alles was ihm einfällt ist, dass ich meine Pflicht erfüllen muss und den Kopf hochhalten soll. Ich habe das alles doch nur für ihn getan, Judy“, sagte sie leise. „Ich wollte ihn davon überzeugen, dass ich es schaffen kann, und dass es kein Fehler wäre, mich zu heiraten. Kannst du dir das vorstellen?“
„So schlimm war es bestimmt nicht.“
„Ach nein?“
Judith war überrascht über die Bitterkeit in Sarahs Stimme. „Sarah, in eine neue Stadt zu ziehen ist schwer – und für eine Werbeagentur in Los Angeles zu arbeiten ist geradezu brutal. Im Moment läuft alles nicht so gut für dich, aber deswegen kannst du es trotzdem schaffen. Tu es einfach. Ich habe es doch auch hingekriegt, sowohl meine Ehe als auch meine Karriere unter einen Hut zu bekommen.“
Sarah schob das Salatblatt auf die andere Seite. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie.“
„Nun ja, gute Organisation und Prioritäten setzen, das ist das Wichtigste“, sagte Judith. „Ich würde dir gerne helfen. Ich könnte dir die Telefonnummer meines Meditations-Trainers geben …“
„Ich bin arbeitslos, Judith“, entgegnete Sarah. „Ich glaube kaum, dass ich ihn mir leisten kann.“
Judith sah weg. Es würde ja schon helfen, wenn Sarah nicht so
negativ
wäre, dachte sie. Schließlich gab es immer eine Lösung. „Weißt du was, ich werde dir ein Buch ausleihen, das dir bestimmt hilft.“
„Wirklich?“ fragte Sarah nicht sehr begeistert.
„Die sieben Wege zur Effektivität
. Für mich war das geradezu ein Gottesgeschenk.“
„Judith, kann ich dich mal was fragen?“
Judith, die dachte, es ginge um das Buch, lächelte. „Natürlich.“
„Bist du glücklich?“
Judith blinzelte. „Was für eine Frage!“ Es entstand eine Pause. „Natürlich bin ich glücklich.“
Sarah sah sie argwöhnisch an und zuckte mit den Achseln.
Judith wartete auf einer Erklärung. Als keine kam, fragte sie: „Wieso fragst du?“
Sarah zuckte nochmals die Achseln. „Keine Ahnung. Es ist nur so, dass … na ja, du wirkst immer so gehetzt, weißt du? Du hast alles so schön ordentlich in Schubladen verpackt. Ich könnte wetten, dass du meinen Namen unter ‚Aufgaben‘ in deinem Terminkalender vermerkt hast. Da steht bestimmt so was wie: ‚Erklärung von Sarah verlangen‘ oder ‚Sarah dazu bringen, den Job zurückzunehmen‘.“
„Sei nicht albern“, zischte Judith. Sarahs Name war in der Freunde/Familie-Sektion aufgelistet, und darunter stand „emotionale Unterstützung anbieten“. Sarah würde das garantiert verstehen, wenn sie erst einmal das Buch gelesen hatte, es machte wirklich überhaupt keinen Sinn, es jetzt zu erwähnen.
„Egal, in einem Punkt hast du bestimmt Recht“, fuhr Sarah fort. „Ich habe ein wenig die Kontrolle über mein Leben verloren. Ich hatte mich total auf Benjamin konzentriert, darauf, was er wohl dachte oder was er denken
könnte
, und deshalb habe ich mich ganz auf die Arbeit gestürzt. Ich dachte, ich könnte Benjamin damit etwas beweisen. Aber damit ist jetzt Schluss. Jetzt werde ich etwas
Spaß
haben.“
Judith gefiel die Vorstellung gar nicht. „Und dir einen neuen Job suchen!“ fügte sie hinzu.
„Vielleicht werde ich erst mal bei einer Zeitarbeitsfirma anfangen“, sagte Sarah beiläufig.
Zeitarbeit? Judith fuhr zusammen. Sie hatte selbst Zeitarbeiter in ihrer Abteilung. Sie wirkten irgendwie wie Trottel. Sarah hatte mit ihrer Ausbildung Besseres verdient. „Ich werde mich auch umhören“, versprach sie und ärgerte sich, dass sie das jetzt nicht in ihren Terminkalender schreiben konnte. Das würde sie nachholen, sobald Sarah auf die Toilette ging.
„Ich werde schon was finden. Mach dir keine Sorge, Judith.“
Nun, einer muss sich schließlich Sorgen machen
. „Wirst du das Buch lesen?“
Sarah seufzte. „Klar, Judith. Schließlich scheint es für dich funktioniert zu haben.“
Judith lächelte. „Genau.“ Natürlich hatte es funktioniert. Natürlich war sie glücklich.
„Herr Ober!“ Sie hielt den Mann,
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