L.A. Woman
ein Teenager war. Sie hatte keine Bilder von ihren Eltern in ihrem Apartment, wahrscheinlich besaß sie nicht mal ein einziges. Sie sah sich selbst mit Zahnspange. In einem Kleidchen für die Wahl zur Miss Pasadena. Und dann, sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder, ganz in Schwarz gekleidet und mit so viel Kajal um die Augen, dass sie aussah wie ein Bandmitglied von The Cure. Sie blickte übel gelaunt in die Kamera und auf die Leute, für die sie posieren musste. Kurz danach, dachte Martika, habe ich mein Zuhause verlassen. Ihre Mutter sah das Foto jetzt auch an, blickte dann besorgt auf Martika und schob sie in die Küche an einen neuen Glastisch, den Martika noch nie gesehen hatte.
„Möchtest du etwas trinken?“
Martika dachte nach. „Tee?“
Die Augen ihrer Mutter weiteten sich überrascht. Ihre Mutter liebte Tee, und deswegen hatte Martika beschlossen, ihn zu hassen. Wie so viele andere Dinge auch. Das ist doch alles lächerlich, dachte sie, als ihre Mutter ihr eine Auswahl an Kräutertees und schwarzen Tees zeigte. Sie wählte Himbeere und fragte sich, ob es wohl unverschämt wäre, nach ein paar Keksen zu fragen. Erst mal sehen, ob mir der Tee gut tut, beschloss sie.
„Also. Wie ist es dir ergangen?“ Die Stimme ihrer Mutter klang höflich, als ob sie mit einem Nachbarn spräche, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
„Ich war ….“ Sie unterbrach sich. „Du weißt, dass es mir nicht gut geht, Mom.“
In den Augen ihrer Mutter blitzte Sorge auf. Es war nicht leicht, sie nicht sofort dafür zu verurteilen, doch dann stellte Martika fest, dass sie ja genau aus diesem Grund gekommen war. Sie wollte, dass jemand sich Sorgen machte.
Sie setzte den Wasserkessel auf. „Ja. Denn du wärst nicht gekommen, wenn es dir gut ginge, Eleanor.“
„Martika. Ich heiße jetzt Martika.“ Sie konnte es nicht ändern, sie fühlte Genugtuung, als sie den Schmerz im Gesicht ihrer Mutter sah.
Nein, ich höre nicht mehr auf den Namen, den du mir gegeben hast.
Doch der Schmerz verschwand sofort aus ihrem Gesicht, nur die Sorge blieb übrig. Das hatte sich also nicht geändert. „Ungewöhnlicher Name“ sagte sie. Der Kessel begann zu pfeifen. Ihre Mutter wandte sich ab und goss das kochende Wasser über die Teebeutel in zwei Tassen. „Martika. Also, warum bist du gekommen … Martika?“
Martika nahm einen Schluck Tee, damit sie nicht gleich antworten musste. Womit sollte sie nur beginnen? „Es ist jetzt wie lange her? Zehn Jahre?“
Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter wurde unerwartet nachdenklich. „Mehr als zwölf, um genau zu sein.“
„Zwölf Jahre.“
„Und nun bist du hier. Es ist schade, dass du nicht etwas später gekommen bist, dein Vater hätte dich … hätte dich so gerne gesehen.“ Die Stimme ihrer Mutter brach, sie presste die Hände gegen den Mund, als wollte sie verhindern, loszuheulen. Sie riss sich zusammen und starrte auf ihre Tasse. „Vielleicht kannst du ja bis zum Abendessen bleiben. Wenn du willst.“ Wieder war es nur ein vorsichtiger Vorschlag, sie wollte nicht drängeln.
Martika seufzte. „Mom, ich wollte mir dir darüber sprechen, warum ich weggerannt bin.“
Ihre Mutter warf ihr einen schmerzvollen Blick zu. „Ich hatte solche Angst um dich. Hast du eine Vorstellung, wie lange ich mir Sorgen gemacht habe? Selbst nachdem du angerufen hattest, um zu sagen, dass du mit mir, mit uns nichts mehr zu tun haben willst. Ich habe das nie verstanden, Martika. Was habe ich nur getan, dass du mich so gehasst hast?“
Martika seufzte erneut. Oh Gott, das alles hier machte sie krank. „Es war nicht … ich konnte hier einfach nicht länger leben, Mom. Ich konnte mit euren Erwartungen nicht mehr umgehen.“
„Ich habe dich nie unter Druck gesetzt!“ Ihre Mutter wurde ein wenig lauter. Sie schrie nicht etwa, aber sie sprach definitiv in einem anderen Ton als sonst. „Nicht, als mir klar wurde, dass du viel zu jung angefangen hast, mit diesen fürchterlichen Männern zu schlafen – oh ja, ich habe davon gewusst“, rief sie, als sie sah, dass Martika sie erstaunt ansah. „Auch nicht, als du angefangen hast, im Haus zu rauchen, Zigaretten und weiß der Teufel was noch alles. Nie habe ich dich unter Druck gesetzt! Ich habe dich nur geliebt, das kleine Mädchen, das ich immer …“
„Ich war niemals das kleine Mädchen, das du dir gewünscht hast!“
schrie Martika. „Verdammt noch mal,
das
ist der Grund, warum ich gegangen bin. Du hast mir immer sagen wollen, was ich tun
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