Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
einzugestehen: Er brauchte Mischa. Zumindest noch. Besser, ihn bei Laune zu halten – und eben nicht zusammenzuschlagen.
Es kostete León viel Überwindung, doch dann schaffte er es. Er atmete tief durch die Nase ein, dann zwang er sich abzuschalten. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Sie sahen immer gleich aus. Ohne Ausnahme.
Ich habe Durst und ein Scheißloch im Bauch. Und diesen irre gewordenen hombre de los nombres an der Backe. León musste grinsen. Der nombrero braucht wahrscheinlich nichts, so glücklich ist der mit seinen Zahlen.
Während er sich weitere schwachsinnige Spitznamen für Mischa ausdachte, um bloß nicht ans Essen zu denken, weil das seinen Magen erst recht knurren ließ, veränderte sich etwas auf der Wand ihm gegenüber. Eine neue Zahl tauchte auf. Im Gegensatz zu den anderen Zahlen bewegte sie sich nicht, sondern stand fest in der Mitte der Wand. Die Zahl war durch einen Doppelpunkt geteilt und begann nun zu blinken. Dann veränderte sie sich.
19:23
19:22
»Mischa«, rief er über die Schulter.
»Stör mich nicht, die Sache ist diesmal ganz schön verzwickt«, meinte der andere, ohne sich umzudrehen. »Wenn man nämlich …«
»Das solltest du dir mal ansehen«, unterbrach ihn León, noch immer die Zahl vor ihm fixierend.
»Was denn?« Mischa klang verärgert, trotzdem wandte er sich endlich um. Ein kurzer Blick schien ihm zu genügen, denn nach nicht mal einer Sekunde sagte er ruhig: »Ach, der Countdown. Er zeigt vermutlich die Zeit, die uns bleibt, um die Tore zu finden. Neunzehn Stunden und zweiundzwanzig Minuten.«
»Du hast davon gewusst??«, fragte León verblüfft. »Und hast mir nichts davon gesagt?«
»Hab’s vergessen.«
»Vergessen?! Verdammt, wie irre bist du eigentlich! Hier geht es nicht um deine bekloppten Zahlenrätsel, sondern darum, dass uns weniger als zwanzig Stunden bleiben, um die anderen und die Portale zu finden. Wir wissen weder, wo die anderen sind, noch, wo sich die Tore befinden. Es gibt keinen beschissenen Stern, der uns führt, wir haben nichts, rein gar nichts mit diesen Türen, die du eine nach der anderen öffnest, gefunden, und du machst einen auf gelassen?!« León merkte, wie die vorhin kaum verdrängte Wut wieder in ihm aufstieg.
»Reg dich ab, wir haben genug Zeit.«
»Und woher willst du das wissen, Professor?«
»Ich fühle es.« Mischa sah ihn achselzuckend an.
Allein diese kleine Geste ließ León fast ausrasten. Mühsam brachte er zumindest halbwegs ruhig eine Antwort hervor. »Aha, du fühlst es.« Den verächtlichen Tonfall konnte er nicht abstellen.
»Ja. Ich werde die Zahlenrätsel lösen und uns hier rausbringen.«
»Und ich habe gesagt: Was, wenn deine ach so genialen Rätsel uns überhaupt nirgendwohin führen? Oder wenn du ihnen irgendwann nicht mehr gewachsen bist, was dann, hä? Schon mal daran gedacht, Professor?«
»Das wird nicht passieren.«
»Und kannst du jetzt auch noch in die Zukunft sehen, haben die dir deine Zahlen geflüstert, oder was?« León fixierte ihn mit seinem Blick. »Oder verschweigst du mir vielleicht noch etwas, das ich wissen sollte?« Mischas Gesicht wurde starr. »Ich habe dir nichts verschwiegen, ich …«
»Ja, ich weiß, du hast es nur vergessen«, unterbrach ihn León unwirsch. »Also, was weißt du noch, was ich nicht weiß?«
»Nichts.« León bemerkte den herausfordernden Blick in Mischas Augen.
»Und da bist du dir sicher? Hast du auch nichts vergessen?«
»Leck mich!«, fuhr ihn Mischa an.
Das brachte die blutrote Wut in León zum Überkochen. Seine Hand zuckte nach vorn, packte Mischa am Hemdkragen und zog ihn zu sich heran. »Was hast du gesagt!?«, zischte er.
»Du hast mich doch gehört.« Mischa reckte das Kinn, die Lippen zu einem schmalen Streifen gezogen. »Ich tue wenigstens irgendwas. Was tust du denn Großartiges, um hier rauszukommen, hm?«
Das nahm die Anspannung. León grinste. »Du hast recht. Soll nicht wieder vorkommen.«
»Dann lass mich los.«
León strich über Mischas Hemd, so als wolle er Fusseln vom Stoff streichen. »Hier, du kannst weiterrechnen.«
Mischa zog ohne ein weiteres Wort sein Hemd gerade, dann ging er zurück zu der Wand mit den Zahlen.
Jetzt ist er auch noch eingeschnappt.
León nahm sich vor, sich bei nächster Gelegenheit bei Mischa zu entschuldigen. Wenn sie hier raus waren. Oder vor den Toren, falls sie sie erreichten. Aber nicht jetzt.
Mischa wischte inzwischen an der Wand herum, tippte mit seinem Finger irgendwelche
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