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Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Titel: Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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richtig abkühlte. Der Geruch der Straße. Teer, Benzin, Abfall und Urin. Den Geruch der Armut. Der Geruch von zu Hause.
    Warum werde ich so müde?
    León blickte mit schweren Lidern an sich herab. Seine Hände ruhten schlaff auf Mischas Brust, nicht einmal die Kraft, ihn zu stützen, hatte er.
    Was ist mit mir? Erschöpfung allein ist das nicht. Es ist …
    Die Augen fielen ihm zu.
    Er riss sie wieder auf.
    Aber irgendwann konnte er sich nicht mehr dagegen wehren. Warum sollte er Kraft aufwenden, sich dagegen zu sträuben? Nur einmal kurz die Augen schließen, der Alarm würde ihn ohnehin wecken, wenn die Wände wieder im Boden verschwanden. Falls die Wände noch einmal verschwanden. Falls sie überhaupt eine neue Chance bekämen weiterzukämpfen. Doch León wollte nicht mehr kämpfen, nur für einen kurzen Moment.
    León gab den letzten Widerstand auf und nickte ein.
    Als er erwachte, wusste Mischa nicht, was geschehen und wie viel Zeit vergangen war. Verwirrt richtete er sich auf. Sein Kopf pochte schmerzhaft, stechend, dumpf, wie nach einem schweren Fall. Noch ganz benommen nahm Mischa wahr, dass Leóns Hand von seiner Brust gerutscht war. Reflexartig drehte Mischa den Kopf und bereute es sofort wieder. Durch die Schmerzen wurde ihm kurz schwarz vor Augen. Nachdem er sich gesammelt hatte, sah er zu León auf. Er schlief, das Kinn ruhte auf seiner breiten Brust.
    Seine Gesichtszüge wirkten entspannt, das ließ die Tätowierungen auf seiner Haut weicher und weniger bedrohlich erscheinen.
    Lange saß er León gegenüber und betrachtete ihn. In seinem Inneren breitete sich eine wohlige Wärme aus, trotz der Schmerzen fühlte er Ruhe in sich. Als er sich mit den Händen über den Kopf fahren wollte, entdeckte er den provisorischen Verband. Zaghaft tastete er darüber, spürte das verkrustete Blut auf dem Stoff.
    Ich muss ohnmächtig geworden und auf den Hinterkopf gefallen sein. Aber jetzt scheint alles okay zu sein.
    Vorsichtig nahm Mischa den notdürftigen Verband ab. Der karierte Stoff war von Blut durchtränkt, aber wenigstens gab es keine feuchten Stellen mehr. Mischa befühlte noch mal seinen Hinterkopf. Das getrocknete Blut machte es ihm unmöglich abzuschätzen, wie groß seine Wunde war. Dankbar sah er zu León.
    Du hast mich versorgt. Dich um mich gekümmert. Du empfindest mehr für mich, als du zugibst.
    Mischa strich mit seiner Hand vorsichtig über Leóns Wange, ohne dass dieser erwachte. Seine Haut fühlte sich rau an, aber zugleich war sie nachgiebig und geschmeidig. Er ließ seine Finger über die Zeichnungen am Hals wandern.
    Mischa hatte so viele Bilder von León im Kopf.
    León, der sich elegant erhob, sich streckte. Das Muskelspiel unter seiner Haut, die Geschmeidigkeit eines heranschleichenden Raubtiers, mit der er sich bewegte.
    Und dieses wilde Grinsen. Dieses Grinsen, das nur so vor Kraft strotzte und der Welt zeigte, dass er, León, sich jedem in den Weg stellte.
    Mischa sah ihn im Lichtschein des Feuers sitzen, das Flackern des Feuers auf seiner olivfarbenen Haut. Die Schatten auf seinem Gesicht, als sie die Steppe in Brand gesetzt hatten. Sein entschlossener Gesichtsausdruck in der Eisstadt.
    Mischa imponierte Leóns Stärke, seine Verbissenheit und sein scheinbar grenzenloser Überlebenswille. Und Mischa wusste auch, dass er noch mehr für León empfand.
    Mischas Gesicht glühte bei der Gewissheit, sein Herz schlug wie wild, noch bevor er seine Gefühle hätte in Worte fassen können.
    Noch einmal strich er über Leóns Gesicht, seinen kahl rasierten Kopf, fester noch als gerade.
    Ohne den Blick von León zu wenden, beugte er sich vor.
    León träumte. Er ging mit Mary durch einen nächtlichen Park. Die Hitze des Tages hatte nachgelassen und ein Windhauch vom Meer brachte angenehme Kühlung. Marys Sommerkleid bewegte sich im Luftzug wie ein Schmetterlingsflügel. Das schwarze Haar umwehte sie und ihre Augen waren so groß und so dunkel, dass man sich darin verlieren konnte.
    León beobachtete, wie sie sich im Licht einer Laterne bückte und etwas aufhob. Mit einer kleinen Blume, die sie gepflückt hatte, kam sie zu ihm. Sie streckte ihre Hand aus.
    »Für dich«, sagte sie leise.
    »Für mich?«, fragte er und lächelte. »Sollte es nicht anders herum sein und ich den Kavalier spielen?«
    Sie lachte. »Das stimmt, du bist das nächste Mal dran. Wir haben alle Zeit der Welt.«
    Er nickte und lächelte sie an. »Ja, die haben wir.« León konnte sich selbst nicht erklären, woher er diese

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