Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
blickte erneut auf ihre Hände. Plötzlich schien sie wie aus einem Traum zu erwachen. Sie sprang mit einem Satz auf die Füße und Jenna wich zurück. Marys Gesicht war bleich, sie zitterte am ganzen Körper. Entsetzt hielt sie sich die Hände vors Gesicht, drehte sie immer wieder um und stammelte: »Das kann nicht sein! Das kann nicht sein!«
Jenna fasste sie am Arm. »Was ist passiert? Du hast dir das alles nur eingebildet, Mary. Wieso glaubst du, dass du Kathy umgebracht hast?«
Marys Blicke huschten von Jenna zum Boden und wieder zurück. »Ich habe sie erstochen, wirklich! Da war dieses ganze Blut, alles war … rot und …« Mary schrie auf. »Die Leiche? Wo ist die Leiche? Und das Messer!«
»Was denn für ein Messer?«, hakte Jenna nach.
»Es gehörte Kathy. Sie muss es aus der letzten Welt mitgebracht haben und dann habe ich es gefunden.«
Jenna zuckte zusammen. Was, wenn es wirklich ein Messer gab? Wem gehörte es? Und vor allem: Wer hatte es jetzt?
Sie hatte die Kratzer in der Wand gesehen und Kathys Stirnband gefunden. Sie fasste in ihre Tasche, um es hervorzuholen, aber dann fiel ihr ein, dass sie das Stück Stoff angewidert zu Boden hatte fallen lassen. Es gab keinen handfesten Beweis, dass es Kathy tatsächlich bis zurück ins Labyrinth geschafft hatte. Und somit gab es keine plausible Erklärung für Marys sonderbares Verhalten.
Es war ein Traum, es muss ein Traum gewesen sein. Mary würde vielleicht auf Rache hoffen, aber wurde sie … könnte sie jemanden umbringen?
Sie war sich nicht sicher, ob sie Mary solch eine Tat zutraute. Aber wie dem auch sei, wenn Kathy wirklich zurück war, mussten sie auf der Hut sein. Jenna sah sich um. Da war kein Messer. Kein Blut, auch nicht an Marys Händen. Wenn sie Kathy tatsächlich erstochen hätte, wären hier doch Spuren!
Jenna packte Mary mit beiden Händen an den Oberarmen und schaute ihr direkt in die Augen. »Mary, wo war das? War das hier?«
»Ja … hier … ich … ich verstehe das alles nicht … meine Hände … da war überall Blut. Wo ist Kathy?« Marys Tonfall wurde immer kläglicher und Jenna konnte sie nur zu gut verstehen: Wenn das alles stimmte und Kathy überlebt haben sollte, schwebte Mary in Gefahr.
Jenna zwang sich und Mary zur Ruhe. Es gab keinen Grund, vor Gespenstern davonzulaufen, redete sich Jenna ein. »Da ist nichts und niemand. Bitte konzentriere dich und sag mir, was geschehen ist, seitdem du hier aufgetaucht bist.«
Mary blinzelte, dann wurde ihr Blick klar. »Ich war in einem Raum. Es war dunkel, nur durch einen Spalt fiel Licht herein. Dann hörte ich die Rufe meines Bruders und ich bin los, um ihn zu suchen. Da war aber nur ein leerer Gang, vielleicht habe ich mir alles nur eingebildet. Ich hätte David doch schon längst finden müssen. Und dann habe ich Kathys Messer entdeckt. Wie eine Warnung. Kathy war also wieder zurück und ich war mir sicher, sie würde versuchen, mich umzubringen.«
»Aber Kathy … sie ist doch in der Eiswelt zurückgeblieben, hat sich für dich geopfert.«
Mary schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber wie ist sie dann hierhergekommen?« Marys Augen blitzten.
Jenna zuckte mit den Schultern.
»Also bin ich ihr gefolgt. Als ich um die Ecke bog, wartete sie schon auf mich. Es kam zum Kampf und … ich habe sie erstochen.«
»Mary, schau mich an«, befahl Jenna, als das schwarzhaarige Mädchen den Kopf wieder sinken ließ und zu weinen begann. »Das kann nicht sein. Da ist keine Leiche, kein Blut und kein Messer. Wenn es also nicht woanders …«
»Es war hier!«
»Dann hast du sie nicht umgebracht.«
Wie sagt man jemandem, dass er Wahnvorstellungen hat? Noch dazu, wenn man glaubt, selbst welche zu haben?
Auf keinen Fall würde sie Mary von der Schrift an der Wand und dem blutigen Halstuch erzählen. Wahrscheinlich würde es Mary den Rest geben und sie wäre nur noch ein Nervenbündel. Und ein Nervenbündel wäre keine gute Verbündete in einer fremden Welt.
Jenna bemühte sich, ihre Stimme fest und bestimmt klingen zu lassen. »Das alles war nicht real.« Jenna konnte die Befürchtung, dass jemand das alles hier kontrollierte und ein perfides Spiel mit ihnen spielte, jedoch nicht mehr aus dem Kopf verbannen. Vielleicht waren sie unter Drogen gesetzt worden? Aber wie? In diesem Labyrinth hatte sie weder gegessen noch getrunken …, wie …?
Ein Gedanke blitzte auf. Konnte es sein, dass die Luft vergiftet war? Rief sie Halluzinationen hervor? Das konnte sie nicht glauben. Ja, es
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