Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
gab hier Dinge, die nur schwer nachzuvollziehen waren, und doch fühlte sich Jenna absolut klar im Kopf. Bei Mary sah die Sache allerdings anders aus, da war sich Jenna sicher, so labil wie sie wirkte.
Wir müssen hier raus und wir müssen Jeb und León und Mischa finden. Zumindest habe ich Mary gefunden, das heißt also, dass auch Jeb, Mischa und León hier sein müssen.
Ihr Mund fühlte sich trocken an. Die Lippen waren rissig, ihre Zunge ein Stück ausgedörrtes Leder.
Mary schaute sie abwartend an.
Sie seufzte. »Mary, denkst du, du kannst weitergehen? Wir müssen die anderen suchen.«
Mary nickte.
Mischa wartete, bis er sich sicher war, dass León eingeschlafen war. Als er die gleichmäßigen Atemzüge des anderen hörte, erhob er sich vorsichtig. Sofort zuckte ein heftiges Stechen durch seine Seite.
Diesmal sind sie endgültig gebrochen. Ich habe wahrscheinlich Glück, dass keine der Rippen die Lunge durchstoßen hat.
Er biss sich auf die Lippen und humpelte, so leise er konnte, zur nächsten Wand, über die unentwegt Zahlen wanderten. Etwas tropfte auf seine Hand. Erstaunt blickte Mischa auf seinen Handrücken, über den langsam ein Blutstropfen lief. Seine gebrochene Nase hatte wieder begonnen zu bluten. Ärgerlich wischte er mit dem Ärmel seines Hemdes über sein Gesicht.
Dieses Arschloch hat mich ganz schön zugerichtet. Aber das wirst du mir büßen, León.
Als er vor der Wand stand, entwich ihm ein Stöhnen. Hastig drehte er sich zu León um, aber der hatte sich nicht gerührt, sondern schlief mit rasselndem Atem weiter. Zufrieden registrierte Mischa das Geräusch. León war mindestens ebenso schwer verletzt wie er.
Wenn du aufwachst, wird dir alles genauso wehtun wie mir, und genau das hast du verdient.
Mischa grinste, aber selbst das verursachte ihm Schmerzen. Die Hand in die Rippen gepresst, stand er gebeugt da und betrachtete das Zahlenrätsel. Es war schwerer als die vorherigen Rätsel und zunächst erkannte er nicht, was hier von ihm verlangt wurde. Dann plötzlich hob sich der Schleier und er hörte eine Stimme in seiner Erinnerung: »Wenn man den Zahlenwert einer beliebigen Primzahl auf die Stelle in der Fibonacci-Folge überträgt, dann ist diese Fibonacci-Zahl ebenfalls immer eine Primzahl.«
Okay, aber welches war die geforderte Primzahl und welches ihre Stelle in der Fibonacci-Folge?
Seine Hand schwebte suchend über den wandernden Zahlen, dann sah er sie. Mischa warf noch einen schnellen Blick auf León, dann tippte er die entsprechenden Zahlen an. Seine Berührungen hinterließen blutige Fingerabdrücke an der Wand und sofort glitt geräuschlos eine Tür auf. Erneut sah er zu León und erschrak.
León hatte die Augen aufgerissen und starrte ihn an. Wahrscheinlich hatte ihn der Luftzug geweckt. Mist!
Hastig machte Mischa einen großen Schritt durch die Türöffnung. Im gleichen Augenblick rappelte sich León auf die Füße und fluchte.
»Du Schwein, willst … ohne mich abhauen. Aber daraus wird nichts!« Mit geballten Fäusten stand León an die Wand hinter ihm gelehnt.
Mischa hatte inzwischen die unsichtbare Schwelle übertreten und stand wie gebannt auf der anderen Seite der Tür. Er betete, dass sich die Tür wieder schloss.
Gerade als León die Türöffnung erreichte, glitt die Wand zu und Mischa war in Sicherheit.
Er lauschte. Bestimmt brüllte León seine Wut heraus, aber es war nichts zu hören.
Schalldicht, dachte er.
Er schaute auf die weiße Wand, die ihn nun von dem Jungen trennte, der ein absolutes Gefühlschaos in ihm auslöste. Er war erleichtert und traurig gleichzeitig. Fühlte er Reue in sich, dafür dass er León zurückgelassen hatte?
Nein, León hat nichts anderes verdient. Wir hätten gemeinsam das Labyrinth besiegen können, aber er hat sich gegen mich entschieden.
Mischa seufzte laut. Er ließ sich auf die Knie sinken, fühlte die Erschöpfung in allen Gliedern, aber er musste weiter, Abstand zwischen sich und León bringen, für den Fall, dass die Wände erneut verschwanden. Er gönnte sich einen Moment, dann erhob er sich schwerfällig.
Sein Körper pochte und zitterte, er fühlte sich ausgelaugt, innerlich war er tot, abgestumpft. Er musste weitergehen. Immer weiter. Bis er die Tore zur nächsten Welt fand.
Mischa hatte sich durch acht weitere Räume geschleppt, als ihn die Erschöpfung doch zu Boden zwang. Wenigstens hatte seine Nase aufgehört zu bluten, aber dafür plagten ihn jetzt höllische Kopfschmerzen. Seine Nase war zugeschwollen
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