Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
eine Falle sein. Besser, wir sind auf alles gefasst.«
Dann trat er auf den Rucksack zu, hob ihn auf und untersuchte ihn. Als er aufblickte, erschauerte Mischa vor dem entsetzten Ausdruck in seinem Gesicht.
»Weißt du, was das ist?«, fragte León, seine Stimme klang rau.
»Was denn?«
»Das ist der beschissene Rucksack, den ich am ersten Tag auf der Ebene verloren habe. Und jetzt verrat mir verdammt noch mal, wie der hierherkommt.«
D er Gang, der vor Mary lag, war in Düsternis gehüllt. Nur ein schwaches Licht hinter ihr, am Ende des scheinbar endlosen Flures, leitete sie. Sie bewegte sich mechanisch darauf zu.
Wieder hatte die Angst sie gepackt und zu jedem Schritt musste sie sich zwingen. Mit der Hand stützte sie sich an der Wand ab, während sie zögerlich und langsam vorwärtstappte. Schlurfend folgte sie den jetzt wimmernden Hilferufen ihres kleinen Bruders in die Dunkelheit. Eine Finsternis, in der viel zu große, grobe Hände regierten. Ihr Vater würde dort sein. Sie musste David vor ihm bewahren.
So soll es sein, dachte Mary. David ist so zart wie ein kleiner Vogel. Vater wird ihm die Flügel brechen, sodass er niemals fliegen kann. Nein, nein, niemals! – und wenn ich dabei sterbe.
Aber da war die alles umfassende Angst. Klammernd hielt sie Mary in ihren Fängen, sie raubte ihr den Atem und ließ sie zittern.
Das Schluchzen ihres Bruders schien nun den ganzen Gang zu erfüllen, hallte von allen Seiten wider. Es zerriss Mary das Herz. Sie presste fest die Zähne aufeinander, richtete sich auf und erhöhte ihr Schritttempo. Und obwohl ihre Füße am Boden zu kleben schienen, die Furcht vor dem, was sie sehen würde, an ihr zog, Mary machte einen weiteren Schritt.
David, halte durch. Ich komme. Gleich ist alles vorbei.
Ihre Füße klatschten kraftlos auf den Boden. Mary spürte, dass sie immer schneller lief. Bald rannte sie schließlich, doch das Licht am Ende des Ganges schien sich immer weiter zu entfernen. Erschöpft blieb Mary stehen. Ihr Atem keuchte. Was passierte hier?
»Mary!«, rief ihr Bruder kläglich aus der Finsternis.
Mary hob den Kopf an, das Licht war verschwunden. Entschlossen streckte sie ihre Arme aus, ging ein paar Schritte geradeaus und traf auf eine solide Wand. In einem Anflug von Panik dachte sie, sie wäre in einer Sackgasse gelandet, doch als sie über die Wand tastete, bemerkte sie, dass der Gang sich vor ihr teilte. Ein Weg führte nach links, der andere in die entgegengesetzte Richtung. Beide unterschieden sich durch nichts. Beide lagen in tiefer Dunkelheit. Wohin sollte sie jetzt gehen? Sie zwang ihren Atem zur Ruhe und lauschte.
Links wisperte die Stimme ihres Bruders. Rechts ebenso, nur dass sie aus diesem Gang auch noch andere Geräusche vernahm.
Dann hörte sie von rechts den schweren Atem eines Mannes. Ein schwaches Stöhnen drang zu ihr. Vater! Und … war da nicht ein blasser Lichtschimmer?
Mary spürte, wie ein kaltes Lächeln über ihr Gesicht zog. Es war so weit. Sie würde ihm gegenübertreten. Ihre Beine drohten erneut aufzugeben und Marys Hände zitterten unkontrolliert, aber dieses Mal würde sie der Angst keine Macht über sich geben.
Mary biss sich auf die Lippen, ein metallischer Geschmack erfüllte ihren Mund.
Vater, ich bin bereit.
Ohne weiteres Zögern schritt sie in den rechten Gang hinein.
Sie hatte keine Kraft mehr für ihre Wut. Wenn das ein Spiel war, dann wollte Jenna die Regeln erlernen. Daher war sie nicht einfach blindlings losgegangen, als die Wände im Boden versunken waren, sondern hatte die Umgebung abgesucht. Und es gab tatsächlich einen winzigen Unterschied in all der weißen Gleichförmigkeit. Zuerst hatte sie sie kaum wahrgenommen, aber wenn man sie erst einmal entdeckt hatte, waren sie kaum zu übersehen.
Im Boden waren schwache Markierungen angebracht, von denen Jenna glaubte, dass sie Begrenzungslinien für die Mauern waren, die später an dieser Stelle einen Raum bilden würden. Jenna war auf die Knie gegangen und den Linien gefolgt, bis sie auf zwei parallel laufende Linien stieß, die einen gleichmäßigen Abstand von ca. zwei Metern zueinander hielten und weit in die Ferne zu führen schienen.
Ein Gang, war es ihr durch den Kopf geschossen. Gänge führen irgendwohin. Womöglich zu einem Ausgang.
Bevor die Wände wieder hochgefahren waren, hatte sie sich zwischen die Linien gestellt und sich von den Wänden umschließen lassen. Sie war tatsächlich in einem Gang gelandet.
Und diesem folgte sie nun. Immer
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